Mount Maroon
dass es nichts Ernstes sei. Gerade so, als habe man sich, nachdem man ein leichtes Hüsteln vernommen hatte, nach seinem Gesundheitszustand erkundigt. Als Peter ihm jedoch Melanie van Eyck vorstellte, war es um ihn geschehen. Peter hatte die junge Historikerin während einer Konferenz in New York kennengelernt und wenn er damals nicht schon mit Ellen zusammen gewesen wäre, hätte auch er sich zweifellos mehr erhofft. Melanies Familie war vor mehreren Generationen aus den Niederlanden in die USA eingewandert. Als Luther die attraktive Blondine auf einer Party bei Peter in Augenschein nahm, wandte er sich von allem ab, was seine Aufmerksamkeit zuvor so oft an sich gezogen hatte. Es war nicht nur Liebe auf den ersten Blick, ein Gefühl, das Luther durchaus kannte, sondern auch auf den zweiten und dritten und so weiter. Melanie und er erlebten über fast zwei Jahre eine Zeit permanenter Hochgefühle. Und schließlich heirateten sie, wodurch aus Luther Bannister Luther van Eyck und aus einem Bürgerlichen ein Adliger wurde. Drei Jahre später wurde die Ehe geschieden. Sie lebten da schon längst nicht mehr zusammen. Melanie hatte eine Stelle an der Universität von Leiden in Europa angenommen, und Luther ging in Atlanta seiner Tätigkeit als Arzt nach und in Bezug auf Frauen jeder sich bietenden Gelegenheit.
Peter führte ein anderes Leben. Er genoss es, ein richtiges Zuhause zu haben, eine Atmosphäre von Geborgenheit und Vertrauen, von Harmonie und Gemeinsamkeit, die in seinen Augen nur eine Familie bieten konnte. Ellen war genau die richtige Partnerin für ihn. Sie hatten sich während des Studiums an der University of Wisconsin in Madison kennengelernt, wo Peter amerikanische und europäische Geschichte studierte und Ellen Pädagogik. Nach zwei Monaten zogen sie zusammen und fanden heraus, dass sie wie für einander geschaffen waren. In Madison wurde ihnen auch klar, dass sie immer am Wasser leben wollten. Immer wieder zog es sie an den Lake Mendota, wo sie endlose Spaziergänge unternahmen, Sonnenunter- und -aufgänge beobachteten, gemeinsam ruderten und in den Sommermonaten regelmäßig schwammen. Als Ellen schließlich die Zusage für eine Stelle als Lehrerin in Annapolis bekam, zogen sie an die Ostküste. Auch Peter hatte dort zunächst als Lehrer gearbeitet, heuerte dann aber bei einem neu gegründeten Verlag für Geschichte und Soziologie an. Hier konnte er all seine Fähigkeiten gezielt einsetzen. Die Suche nach geeigneten Manuskripten, die Arbeit am Verlagsprogramm, die redaktionelle Aufbereitung einzelner Werke und die Layoutgestaltung lagen ihm. Zudem hatte diese Tätigkeit eine wissenschaftliche Komponente und bot die Gelegenheit, interessante Autoren persönlich kennenzulernen. Ellens und Peters privates Glück wurde vollkommen, als vor neun Jahren Irene das Licht der Welt erblickte.
Mit einem gewaltigen Krachen schwappte der Kaffee aus der Tasse über Peters Beine. Auch Luther war hochgeschreckt. Es gab keinerlei Anzeichen für ein Gewitter, aber was hätte es sonst sein sollen? Wieder erschütterte eine Detonation die Lichtung. Die Erde unter ihren Füssen bebte. Danach war ein heller Lichtblitz zu sehen, jedoch war nicht auszumachen, aus welcher Richtung er kam. Die Freunde schauten sich an. Keiner traute sich zu sprechen, aber beiden war klar, dass die umgekehrte Reihenfolge von Blitz und Donner zu tiefster Besorgnis Anlass gab. Indes blieb ihnen keine Zeit, länger darüber nachzudenken, denn wieder grollte es ohrenbetäubend über ihren Köpfen. Spürbar wurde Adrenalin freigesetzt, Muskeln spannten sich, der Körper bereitete sich auf die notwendige Flucht vor. Dann brach das Unwetter mit seiner ganzen Kraft über sie herein. Wind peitschte durch die Klüfte zwischen den Felsen, überall zuckten Blitze, Donnerschläge knallten und gewaltige Entladungen erstarben in ächzenden Geräuschen berstenden Holzes. Die Flammen ihres Lagerfeuers flackerten wild, schlugen meterhoch in die Luft. Doch es war nicht nur ihr Feuer, das die Szenerie erhellte, hinter ihnen hatte eine riesige Kastanie zu brennen begonnen. Die beiden Männer wussten, dass der Gipfel eines Berges, auch wenn er sich eher flach als spitz darbot, kein besonders günstiger Aufenthaltsort bei einem Gewitter war. Auch Bäume waren alles andere als ideale Zeitgenossen, sie boten keinen Schutz, sondern erhöhten durch ihre exponierte Stellung die Gefahr eines Blitzeinschlags. Sie mussten möglichst schnell zu einem Geländeeinschnitt
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