Mount Maroon
näherte, immer schaute er denjenigen mit treuen braunen Augen an und wedelte. Die etwas zu weich geratenen Ohren taten ihr Übriges.
Mr. Shanes Ohren waren unbeugsam, sie standen im krassen Gegensatz zu seinen wirren, flusigen, weißen Haaren. Er war schon mit Mitte 30 vollständig ergraut. Nun war er 73 und seit fast 24 Jahren an den Rollstuhl gefesselt. Er hasste es daher, auch nur kurze Strecken außerhalb des Laboratory zurückzulegen. Das war der eigentliche Grund für seine Entscheidung, sich an seinem Arbeitsort häuslich einzurichten, wenn man es bescheiden ausdrücken wollte. Immerhin hatte der Anbau des Herrenhauses, der die Errichtung einer Kläranlage und der Generatorenhalle erforderlich machte, insgesamt über zehn Millionen US-Dollar gekostet.
Als Raymond Myers eintrat, saß Robert Shane hinter seinem mächtigen Schreibtisch. Obwohl Shane, wenn er noch aufrecht hätte stehen können, die Marke von 1,63 Meter nicht übertroffen hätte, wirkte es, als säße ein viel größerer Mann im Gegenlicht der Fensterfront. Myers wusste, dass das an dem Rollstuhl lag. Shane hat sich extragroße Räder montieren lassen, weil er es nicht verkraftete, für den jeweils kleinsten Teilnehmer einer Gesprächsrunde gehalten zu werden, egal ob sitzend oder stehend und egal ob zu Recht oder zu Unrecht.
Dr. Raymond Myers war in vielerlei Hinsicht das absolute Gegenteil von Robert Shane. Während Shane alt, steif und unnahbar wirkte, bestach Myers durch jugendliche Frische, Dynamik und Offenheit. Er war fast 1,90 Meter groß und mit seinen 48 Jahren überaus sportlich. Dass Shane offiziell Myers Vorgesetzter war, störte ihn nicht. Niemals hätte er mit dem Alten tauschen wollen. Er hätte es keine zwei Tage in der Einsamkeit des Refugiums ausgehalten. Myers stand mitten im Leben, brauchte Menschen um sich herum, seine Mitarbeiter, die Ministerien, die Presse und seine Familie. Er lebte auf einer kleinen Farm, die circa 20 Kilometer vom Laboratory entfernt lag. Für die Distanz nahm er den Hubschrauber, den er selbst flog. Shane, der selbst nie einen akademischen Abschluss erlangt hatte, hatte ihn vor acht Jahren mit einem hoch dotierten Angebot aus Harvard loseisen können, wo Myers als Professor für Physik arbeitete. Er erhoffte sich davon die entscheidenden Impulse für seine Forschung und lag damit richtig. Das Projekt hatte große Fortschritte erzielt und man wähnte sich dicht vor dem folgenschweren Durchbruch. In ihrer Arbeit ergänzten sich Shane und Myers optimal, während Shane den administrativen Teil der Institutsleitung übernahm, sorgte Myers für den operativen Ablauf. Die beiden Männer waren darüber hinaus die Hauptverantwortlichen für die Versuchsreihe C26.
Diese Testreihe lief nun seit fast 30 Jahren, auch wenn sich Programm und Name mit der Zeit mehrfach änderten. Sie war topsecret, und es war den Leitern tatsächlich gelungen, sie über einen so langen Zeitraum vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Robert Shane war von Anfang an mit von der Partie, zunächst als Projektassistent, dann als Techniker und schließlich als Chefingenieur, bevor er Ende der 1980er-Jahre die Institutsleitung übernahm. Auf dem zeitweiligen Höhepunkt geschah schließlich der Unfall, von dem er sich nur langsam erholte und dessen Folgen ihn zeitlebens in den Rollstuhl verbannten. An jenem Abend glaubten sie am Ziel zu sein, und Shane bestieg zusammen mit seinem Freund und Kollegen Forma Townsend die Kapsel. Doch statt des erwarteten Ablaufs kam es zu dieser Explosion. Während Shane schwere Verbrennungen an den Beinen erlitt, blieb von Townsend nur ein Häufchen Asche übrig. Und gestern Abend kam es zu einem ähnlichen Ereignis, bei dem zwei Männer ihr Leben verloren.
- „Robert, ich komme gerade aus dem Labor. Der eigentliche Brand war lokal begrenzt, im Bereich des Zentrifugalfilters. Was mich überrascht, ist aber die Hitzeentwicklung im gesamten Zylinder.“
Robert Shane blickte auf, seine Gedanken wurden schlagartig um ein Vierteljahrhundert in die Gegenwart katapultiert. Sah er eben noch sich selbst auf dieser harten Pritsche im längst nicht mehr existierenden alten Sanitätsraum liegen, war es jetzt Alan Mason, der sein inneres Bild beherrschte, Mason und die beiden Toten Perkins und Tomczak, die, von Tüchern verhüllt, neben den großen Schaltpulten aufgebahrt waren. Shane wirkte angegriffen, doch sein Verstand war klar und wach.
- „Wie geht es Alan?“
- „Immer noch im Koma. Er wird aber
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