Mozart - Sein Leben und Schaffen
Ihr Letztes versichert worden bin, daß Sie mich besser kennen als vorhin! Es war einmal keine andere Ursache an der langen Verzögerung, nach Haus zu reisen, an der Betrübnis – die ich endlich, weil ich meinem Freund Becke mein ganzes Herz entdeckte, nicht mehr bergen konnte –, als dieser Zweifel. Was könnte ich denn sonst für eine Ursach' haben? Ich weiß mich nichtsschuldig, daß ich von Ihnen Vorwürfe zu befürchten hätte; ich habe keinen Fehler (denn ich nenne Fehler das, welches einem christlichen und ehrlichen Mann nicht ansteht) begangen. Mit einem Wort, ich freue mich und verspreche mir schon im voraus die angenehmsten und glücklichsten Tage – aber nur in Ihrer und meiner liebsten Schwester Gesellschaft. Ich schwöre Ihnen bei meiner Ehre, daß ich Salzburg und die Einwohner (ich rede von gebornen Salzburgern) nicht leiden kann – mir ist ihre Sprache, ihre Lebensart ganz unerträglich.«
Bald folgte er diesem Briefe selber nach. In Salzburg wurde er mit offenen Armen empfangen. Zu Hause war alles festlich vorbereitet, zahlreiche Freunde, die seine Rückkehr als einen Triumph ansahen, bewiesen ihm durch Gefälligkeiten ihre gute Gesinnung; der Vater hatte sogar das lustige Bäschen von Augsburg verschrieben, damit es dem Heimkehrenden über die erste schmerzliche Zeit hinweghelfen möchte. Denn das war dem klugen Vater doch nicht verborgen geblieben, daß es einen schweren Kampf gegolten hatte, den Sohn in die alten Verhältnisse zurückzubekommen.
Es war eine andere Zeit als die heutige, eine Zeit, in der die unbedingte Autorität des Vaters über seine Kinder gerade in tüchtigen Familien noch unangezweifelt zu Recht bestand. Und so mochte Vater Mozart den heimkehrenden Sohn in dem Gefühle umarmen, seine Pflicht auch zum Besten des Sohnes getan zu haben. In Wirklichkeit dürfen wir uns nicht verhehlen, daß hier vielleicht der tragischste Konflikt in Wolfgang Mozarts Lebensgange liegt. Es war ein dreiundzwanzigjähriger Jüngling, ein fertiger Künstler, der hier in seinem äußeren Lebensverhalten wie ein Kind gegängelt wurde. Der Vater hatte ihn ja keinen Schritt allein tun lassen! Bevor etwas geschah, mußten ihm Berichte gegeben, für alles Getane Rechenschaft geleistet werden. Gewiß, Mozart hatte äußerlich kein Glück gehabt auf dieser Reise, aber andererseits war ihm doch auch nirgendwo recht Zeit gelassen, um abzuwarten. In jedem Fall war die Gelegenheit versäumt, bei der sich Mozart Weltgewandtheit und eine durch Kampf und Irrtum gehärtete Selbständigkeit der äußeren Lebensführung hätte erwerben können. Sein Herz war vielzu weich, sein Charakter viel zu liebevoll, als daß er sich dem Vater gegenüber vertrutzen konnte. Aber da ihm so alle Selbstbestimmung genommen wurde, da er so und so oft wider seine bessere Erkenntnis hatte handeln müssen und dafür nun doch am Ende weiter nichts hatte als einen verhaßten Dienst an einem verhaßten Orte, entwickelte sich in ihm eine Art von Fatalismus gegenüber dem äußeren Leben, den er nie mehr überwunden hat. Auch die schwere Wunde, die die Liebe seinem Herzen geschlagen hat, ist niemals mehr ganz verharscht. Er hatte stets eine starke Empfänglichkeit für weibliche Schönheit und mag bei den freien Sitten der damaligen Zeit sehr leicht im Verkehr mit Frauen Worte gefunden haben, die sich heute gewichtiger anhören, als sie gemeint waren. Die volle Leidenschaft der Liebe hat er nur für Aloysia empfunden. Es hat auch innere Gründe, daß er später die Schwester derselben als Gattin heimführte. Gewiß hat er seine Konstanze aufrichtig geliebt. Aber noch am 16. Mai 1781 hat Wolfgang dem Vater geschrieben: »Bei der Langin« (Aloysia heiratete später einen Schauspieler Lange) »war ich ein Narr, das ist wahr; aber was ist man nicht, wenn man verliebt ist! Ich liebte sie aber in der Tat und fühle, daß sie mir noch nicht gleichgültig ist – ein Glück für mich, daß ihr Mann ein eifersüchtiger Narr ist und sie nirgends hinläßt und ich sie also selten zu sehen bekomme.« Diese Briefstelle verrät deutlich genug, daß die wahre Leidenschaft jener Aloysia gegolten hat, die selber in unglücklicher Ehe ihren Treubruch büßte. Denn die Liebe zu Aloysia war bei ihm aufs engste verwachsen mit der Leidenschaft für die Kunst. Und das war und blieb die Kraft, der allein Wolfgang sich restlos hinzugeben vermochte.
Die Kunst war ihm auch jetzt in Salzburg die beste Trösterin. Als Konzertmeister, Hof- und Domorganist mit 400
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