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Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
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Kultur aus einer Herzensangelegenheit der Einsamen, aus der Religion der Gemeinde und der Unterhaltung eines bescheidenen Lebens zur bewußten Schönheitskultur werden konnte, bedurfte es eines anderen Schauplatzes, als Nord-, Mittel- und Südwestdeutschlands, wo sich bislang die neuere deutsche Geistesentwicklung vollzogen hatte. Dieser Schauplatz war Wien.
    Man hat es seither als ein » Capua der Geister « oft gescholten. Zum Teil sicher mit Recht. Seit Jahrzehnten schließt auch die Bezeichnung » Capua des Gemüts « einen Tadel ein, obwohl man nicht verkennen sollte, daß diese Wiener Sentimentalität, die dem dortigen Volksstück und dem Wiener Lied so leicht einen üblen Beigeschmack gibt, doch auch heute noch den Wert in sich trägt, von einer immer materialistischer und berechnender werdenden Weltauffassung abzulenken. Diese Weichheit des Gemüts war aber vor allen Dingen zu einer Zeit wertvoll, als es galt, die Sprödigkeit und Härte, die sich in einer langen Zeit der Not auf das deutsche Leben gelegt hatte, zu überwinden. Gewiß, den höchsten Wert brachten jene, die mit der vulkanischen Urgewalt eines glühenden Empfindens diese ungeheure Schuttmasse durchbrachen und mit den Feuerbränden ihrer Leidenschaft in vorher ungeahnte Höhen emporlohten, ein vorher nie gekanntes Feuer der Begeisterung entfachten. Aber wenn wir sehen, wie ein Klopstock, wie selbst ein Goethe durch die Sentimentalität hindurchgegangen sind, sollte man nicht verkennen, daß diese offenbar eine Notwendigkeit zur Gesundung war. Und wenn die Herrlichkeit Goethes darauf beruht, daß er diese Sentimentalität rasch überwand, so müssen wir wiederum bedenken, daß die Entwicklung der Masse sich nur langsam vollzieht, für sie auf lange Zeit hinaus notwendig oder doch segensreich ist, was der begnadete Einzelne in kurzer Frist für sich nutzbar machen kann. Und dann wollen wir nicht vergessen, daß diese Wiener Sentimentalität an Ort und Stelle ein gesundes Gegengewicht hat in der Wiener Lustigkeit. Und damit komme ich auf die dritte hervorstechende Eigenschaft Wiens, durch die es wohl am segensreichsten geworden ist für die deutsche Kultur, durch die es immer wieder auf diese Kultur befruchtend einwirken kann: Wien ist auch das » Capua der Sinne «, die Stätte froher, schöner Sinnlichkeit. Die starke Geistigkeit der deutschen Natur, das Nachinnen-Gekehrtsein des deutschen Lebens haben die mangelnde Ausbildung der Sinne und damit eine Abschwächung derselben zur Folge. So kommt es, daß die deutsche Kunstauffassung im Empfinden für die Schönheit der Form in bedauerlichem Maße versagt, und nochverhängnisvoller ist die Rückwirkung dieser Einstellung auf das Leben, für dessen schöne Gestaltung durch die Kunst wir zu wenig Fähigkeit beweisen. Niemals soll es uns beikommen, zu bedauern, daß die Kunst dem Deutschen in so hohem Maße Herzenssache ist, daß sie vor allem einen Wert seines Innendaseins, seines seelischen und geistigen Lebens bedeutet. Aber ebensowenig dürfen wir verkennen, daß darin eine Einseitigkeit liegt, die uns um die köstlichste Erdenfrucht der Kunst betrügt. Erst diese schöne Lebensgestaltung bringt die höchste Harmonie unseres Daseins, und wir haben ja das Glück, auf einen Goethe verweisen zu können und damit den Beweis zu erbringen, daß deutschem Wesen die Vereinigung, der höchste Ausgleich und damit doch gleichzeitig auch die höchste Steigerung dieser Befruchtung des seelisch-geistigen und des sinnlichen Lebens durch die Kunst möglich ist.
    Nun ist Wien für die Entwicklung einer mehr sinnlichen Auffassung der Kunst die günstigste Stätte, die wir in deutschen Landen haben. Gerade die Sentimentalität bewirkt dann, daß diese Sinnlichkeit einen deutschen Charakter bewahrt. Die Schönheit der Natur Wiens hat dazu ebenso beigetragen wie die Rassenmischung seiner Bewohnerschaft. Gerade für die Musik mußte diese Blutmischung in der Bevölkerung besonders segensreich werden. Es ist nicht zu verkennen, daß in unserer deutschen Musik der Rhythmus nicht jene Urlebenskraft darstellt, die er ist. Jedenfalls ist durch das harmonische Empfinden das rein rhythmische Gefühl stark zurückgedrängt. Hier wirkt in Wien zweifellos das slawische und ungarische Element außerordentlich belebend. Nicht umsonst haben die Volksweisen dieser Völker vor allem durch ihre Rhythmen auf unsere großen Musiker so stark gewirkt. Und es ist kein Zufall, daß die Entwicklung des deutschen Tanzes, in dem sich doch die

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