Mozart - Sein Leben und Schaffen
daß Graf Arco meine Bittschrift angenommen oder mir Audienz verschafft oder geraten hätte, selbe nachzuschicken oder mir zugeredet hätte, die Sache noch so zu lassen und besser zu überlegen, afin , was er gewollt hätte, – nein, da schmeißt er mich zur Tür hinaus und gibt mir einen Tritt im H...... Nun, das heißt auf deutsch, daß Salzburg nicht mehr für mich ist, ausgenommen mit guter Gelegenheit dem Herrn Grafen wieder ingleichen einen Tritt im A.... zu geben, und sollte es auf öffentlicher Gasse geschehen. Ich begehre gar keine Satisfaktion deswegen beim Erzbischof, denn er wäre nicht imstande, sie auf solche Art mir zu verschaffen, wie ich sie mir selbst nehmen muß, sondern ich werde nächster Tage dem Herrn Grafen schreiben, was er sichvon mir zuverlässig zu erwarten hat, sobald das Glück will, daß ich ihn treffe, es mag sein, wo es will, nur an keinem Ort, wo ich Respekt haben muß.«
Mit diesem Fußtritt haben sich Graf Arco und sein Auftraggeber, der Erzbischof, in eine traurige Unsterblichkeit hineingeschmuggelt. Wolfgang schäumte über vor Zorn und Ingrimm. Zwar hat er sich durch den Vater von einer Wiedervergeltung am Grafen zurückhalten lassen; aber das war auch alles. Vermittlungsvorschläge, die ihm der Vater jetzt noch unterbreitete, nahm er nicht mehr an.
Des Vaters Verhalten ist ja aus all den geschilderten Umständen, auch aus seinen früheren Erfahrungen mit Wolfgang schließlich begreiflich und allenfalls auch als Fürsorge für den so ganz Weltunerfahrenen Sohn entschuldbar. Aber ein schweres Unrecht an Wolfgang war es doch, daß er sein Empfinden so gar nicht verstehen konnte, und unklug war es, daß er vom Fünfundzwanzigjährigen noch die gleiche unselbständige Unterwürfigkeit verlangte wie von einem Knaben. Dem Vater mochte ja wohl die Art, wie er Wolfgang von Paris weg- und noch einmal in die Dienste des Erzbischofs hineingebracht hatte, noch immer als eine kluge Tat erscheinen. Wolfgang wird es ihm kaum gezeigt haben, wie schwer er unter dieser Maßregel gelitten hatte. Ein zweites Mal durfte sich Wolfgang nicht beugen, wenn er sich nicht verlieren wollte. Es ist erfreulich, die stolze Sicherheit zu sehen, mit der er auch des Vaters Hinweis auf sein Seelenheil beantwortet: »Wegen meinem Seelenheil seien Sie ohne Sorgen, mein bester Vater! Ich bin ein fälliger junger Mensch wie alle andern, und kann zu meinem Trost wünschen, daß es alle so wenig wären wie ich. Sie glauben vielleicht Sachen von mir, die nicht also sind. Der Hauptfehler bei mir ist, daß ich nach dem Scheine nicht allezeit so handle, wie ich handeln sollte ... Übrigens seien Sie versichert, daß ich gewiß Religion habe, – und sollte ich das Unglück haben, jemals (welches Gott verhüten wird) auf Seitenwege zu geraten, so spreche ich Sie, mein bester Vater, aller Schuld los. Denn nur ich allein wäre der Schurke; Ihnen habe ich alles Gute sowohl für mein zeitliches als geistliches Wohl und Heil zu danken.« (13. Juni 1781)
Der Vater hat ihm diese Enttäuschung nie verziehen; er hat auch – das nächste Kapitel wird es zeigen – mit einer etwas kleinlichen Rechthaberei und einer unschönen Verletztheit in der Zukunft seinem Sohn jene liebevolle Unterstützung versagt, um die ihn dieser anhielt. In der Hinsicht hat Wolfgang zweifellos den größeren Charakter bewährt. Denn er hing nach wie vor dem Vater mit gleicher Liebe und Verehrung an. Aber das war ihm in diesem Streite klar geworden, daß er nun auf sich allein gestellt war. Er war frei geworden, frei vom Dienst, frei auch von der gewiß immer gut gemeinten, aber doch oft recht kurzsichtigen Bevormundung des Vaters. Als Künstler stand der Komponist des »Idomeneo« selbstherrlich da; der Mensch war aus dem Jüngling zum Mann geworden.
Dritter Teil
Meisterjahre
11. Die Entführung aus dem Serail und aus dem »Auge Gottes«
"Ich versichere Sie, daß hier ein herrlicher Ort ist und für mein Metier der beste Ort von der Welt.« So hatte Wolfgang mitten in den heftigsten Kämpfen mit dem Erzbischof an seinen Vater geschrieben. Und dieses Urteil über Wien als Musikstadt bestand zu Recht. Es ist ja auch auf Jahrzehnte hinaus von nun an der Mittelpunkt deutschen Musiklebens geblieben. Hier herrschte im wahrsten Sinne des Wortes musikalische Kultur .
Ein weitsichtiger Kunstpolitiker, ein kunstliebender Herrscher, der große Mittel zur Verfügung stellt, hat es in der Hand, an irgend einer Stelle ein blühendes öffentliches Musikleben
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