Mozart - Sein Leben und Schaffen
Aufschwung zurHöhe. Das ist natürlich, wie bereits Ambros hervorgehoben hat, »keine Folge der Unfähigkeit zu einem Fluge in höhere Regionen, sondern einer edlen, maßvollen Ausgeglichenheit aller Kräfte«. Die Regsamkeit und Rührigkeit, die in diesem Satz herrschen, bekunden gewissermaßen den Sinn zur Arbeit, in der sich die Erlösung gegen den Alltag findet. Wie sich dann gegen Schluß allmählich ein halb humoristischer Ausdruck beimischt, möchte man fast als überlegenes Lächeln, als heitere Gleichgültigkeit gegen den äußeren Erfolg dieser Arbeit deuten.
Wieder vergingen anderthalb Jahre, dann schuf Mozart zwischen dem 20. Juni und dem 10. August 1788 seine drei letzten und bedeutendsten Sinfonien in Es-dur , G-moll und C-dur (Nr. 39–42). Ihr rasches, schier gleichzeitiges Entstehen deutet auf einen inneren Zusammenhang. Die ungeheure Verschiedenheit im Stimmungsgehalt spricht nicht gegen diesen, sondern dafür. Sie wirken als das große, geistig-seelische Lebensbekenntnis Mozarts. Von einer schier unvergleichlichen Fähigkeit zur Freude, zur Schönheitsseligkeit die eine, voll tiefsten Leides, voll jenes Schmerzes, der aus Liebe und Mitgefühl die Leiden der Welt auf sich nehmen muß und unter ihnen versinkt, die zweite. Die dritte gibt dann jenes Unvergleichliche, wozu Mozart sich emporgerungen hat: die abgeklärte Harmonie des Seins. – Der Es-dur hat man den Namen »Schwanengesang« gegeben, vielleicht weil in ihr am unvermischtesten und eindringlichsten jene heitere Sinnlichkeit zum Ausdruck kommt, die man oft als das wesentlich Mozartische bezeichnet hat. Mit einem Orchester von blühender, saftiger Klangfarbe, die durch den satten Wohllaut der in ihrer ganzen Ausdruckskraft verwendeten Blasinstrumente den Grundton erhält, setzt das Stück mit jener prächtigen Festlichkeit ein, die einen immer an die Herkunft Mozarts aus einer katholischen Bischofsstadt denken läßt. Das Werk ist nicht übermütig, sondern voll männlicher Gesetztheit, im starken Bewußtsein der Kraft und der Sicherheit des ruhigen Genießens des Glückes. Wenn hier geschwärmt wird, ist es mehr ein Erinnern an vergangene Tage mit dem dunkeln Unterton eben dieses Vergangenseins. Freilich, seliger kann auch kein Jünglingsein, als hier die Klarinette im Trio des Menuetts singt. Dann kommt ein Finale, schwelgend in Humor. Leuchtende Augen schauen das komische Getriebe der Menschen, ein Lächeln erst, ein Lachen dann, schallendes Gelächter zum Schluß. Eine Stunde jener Freudigkeit, in der alles Gehaben und Getue in der Welt uns nur von der heiteren Seite nahekommt, so daß wir selbst über den Griesgram und Polterer lachen müssen, gerade weil er nicht lustig sein kann; ebenso wie hier die Bässe ganze Oktaven hinaufpoltern müssen, um fröhlich mit den Fröhlichen zu tun.
Genau einen Monat nach dieser Sinfonie schrieb Mozart das Schlußdatum auf die G-moll , die wohl der leidenschaftlichste Schmerzensausbruch ist, den unsere Musikliteratur besitzt. In G-moll stehen ja überhaupt die tragischen Bekenntnisse der Seele Mozarts; auch das Klavierquartett und das Quintett. Aber so ohnmächtig gegen den Schmerz, so ganz in ihm zerwühlt wie hier, ist doch kein anderes Werk. Es fängt noch verhältnismäßig anmutig an, aber schon der Nachsatz des Hauptthemas zeugt von innerer Erregung. Das zweite Thema vertieft den Eindruck. Wohl bäumt sich der Mensch kräftig auf, aber immer wieder wird er zurückgeschlagen. Und – da für Mozart sonst das Hereinbringen neuen thematischen Materials charakteristisch ist, wird dieser Zug doppelt wertvoll – die Phantasie kommt von den ersten düsteren Motiven nicht los. Andante und Menuett bringen die erneuten Versuche, gegen diesen Schmerz Meister zu werden. Ein Trio mahnt wie mit süßen Kinderstimmen an eine lichte Vergangenheit. Aber zu wirklicher Klarheit vermag es auch nicht zu helfen; nur zu einer Lustigkeit, die den Schmerz betäuben will, zu einer Art von Galgenhumor, der mit tollen Einfällen in einer schier verzweifelten Lustigkeit das Finale zu Ende bringt.
Und abermals vierzehn Tage, da war die letzte Sinfonie in C-dur vollendet. Selten noch bestand ein Name mehr zu recht, als die Bezeichnung dieses Werkes als »Jupitersinfonie« . Die göttliche Heiterkeit kann nicht die unberührte Lustigkeit des unerfahrenen des kindlichen Gemütes sein. Wie der Gott thront über den Welten, so muß diese Freude thronen über Welterfahrung, über Welterlebnis.Das ist erkämpftes Glück; um so
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