Mozart - Sein Leben und Schaffen
sicherer und fester ist sein Besitz. Alle Werte des Lebens hat man sich sorgsam gesammelt. In die laute Festesfreude, mit der auch diese Sinfonie anhebt, schmiegt sich gleich ein gemütvoller, heimlicher Klang ein, ihm folgt naive Fröhlichkeit, – als sollte uns gesagt werden, daß es die kleinen Freuden des Lebens wahrzunehmen gilt, wenn wir wirklich glücklich werden wollen. Wohl naht im Andante einmal dräuend ein düsteres Schicksal, aber es geht vorüber. Allerdings äußert sich jetzt die Freude noch weniger laut; sie wird noch mehr zum Befriedigtsein: Ruhe. Und so trägt auch das Menuett den Charakter sinniger Beschaulichkeit. Gekrönt wird das Werk durch den prachtvollen Schlußsatz. Ein Meisterstück kontrapunktisch-polyphoner Arbeit. Alle Kräfte der Tüchtigkeit, der Freudigkeit, der zielbewußten Ruhe einen sich hier. Ein harmonischer Geist steht über ihnen und schaltet mit ihnen, daß keine sich vordränge, keine das Gleichmaß zerstöre, daß sie alle zusammenwirken zu einem großen Ziel. Ich muß bei diesem Satze immer an den Olympier denken, der in der Zeit, als dieses Werk entstand, noch einmal in sich den wilden Widerstreit der zahllos in ihm angehäuften Kräfte durchmachen mußte und fern in Italien auf klassischem Boden sich menschlich zu der Ruhe fand, daß er nachher im kleinen Weimar auf einer Höhe thronen konnte, die über die ganze Erde hinausragte. Er, Goethe, hat uns das Wort gegeben: in demselben Augenblick, in dem wir uns bedingt fühlen, werden wir frei. Man könnte es als Motto über diese Sinfonie schreiben, als Motto für ihren geistigen Gehalt, aber auch für ihre Form, in der der glücklichste Formbeherrscher, den es je gegeben hat, sich den Bedingungen der strengsten Form in der Musik fügt, und doch ungehemmt durch sie, nein – frei geworden durch ihre Kraft und ihren Reichtum, das tiefste Geheimnis seiner olympisch-heiteren Lebensweisheit offenbart.
14. Die italienischen Opern
Le Nozze di Figaro – Don Giovanni – Cosi fan tutte – Titus
Keinem Volke haben sich für die Bildung einer nationalen Kunstkultur solche Schwierigkeiten entgegengestellt wie dem deutschen. Die Entwicklung ist bei uns auch hier einen dem üblichen entgegengesetzten Weg gegangen; im allgemeinen vollzog sie sich so, daß ein Volk staatlich und politisch seine nationale Kraftbetätigung ablegte und dann eine seinem Volkstum entsprechende Kunst als Frucht und Schmuck erhielt. So ist es dann geradezu selbstverständlich, daß diese nationale Kultur von dem betreffenden Volke mit allen Kräften unterstützt und als die ihm zukommende aufgenommen wird. Das alles schließt Freude und Bewunderung für fremde Kulturerzeugnisse nicht aus, aber entweder wird dieses Fremde als Fremdkörper behandelt – man fühlt sich stark genug, sich den Luxus auch dieses Lebensschmuckes leisten zu können – oder man sucht aus diesem Fremden das, und nur das, für sein eigenes Volkstum zu gewinnen, was diesem wertvoll ist. In der Geschichte aller Kulturvölker aber ist es ein unerhörter Fall, daß diese ihr eigenes Volkstum völlig preisgaben, um eine fremde Kultur zu pflegen. Nur Deutschland macht hier eine Ausnahme. Man kann nicht einmal auf das Beispiel Rußlands hinweisen, wo Peter der Große mit absolutistischer Macht die Kultur des Westens seinem Volke aufzuzwingen suchte. Denn da war eben keine eigene Kultur vorhanden; allenfalls bietet das Japan der Gegenwart ein abgeschwächtes Beispiel für die Art, fremden Besitz auf Kosten der eigenen Entwickelung zu übernehmen. Hier allerdings doch um des glänzenden Zieles willen, als Weltvolk sich betätigen zu können, und überdies auch nur in der Form der Hinzunahme des Fremden ohne Verkümmerung des Eigenen.
Ganz gewiß bedarf die Weltentwicklung nicht nur der einzelnen Universalmenschen , sondern auch der Universalvölker . – Ebenso gewiß kann die Vorbedingung zu dieser Universalität, nämlichdie Aufnahme aller wertvollen fremden Kräfte, nur von einem Volke erfüllt werden, das zu einer Überschätzung des Fremden neigt. Wir sehen es bei den Franzosen, bei den Italienern, daß die außerordentlich hohe Meinung von der eigenen Kultur doch die Fähigkeit für das Verständnis und vor allen Dingen für die Aufnahme einer anderen abschwächt; und gewiß fühlt auch hier die Inzucht auf die Dauer zu einer Abschwächung, zur Unfruchtbarkeit. Aber sicher ist, daß nur die einzelnen zur Höhe der Universalität gelangen, daß für die Masse des Volkes diese willige
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