Mozart - Sein Leben und Schaffen
Aufnahme alles Fremden fast immer zum Fluche der Internationalität, der Nationallosigkeit führt. Es muß aber immer wieder betont werden, daß auch die größte Kunstbetätigung der einzelnen noch nicht Kultur eines Volkes ausmacht. Dazu gehört, daß das Volk in seiner Gesamtheit wirklich Kunst besitzt, sie zu genießen vermag, daß also für das Kunstschaffen der Großen eine empfangsfähige Gemeinde vorhanden ist. An der Größe dieser Gemeinde hat man einen Gradmesser der Kultur. Universalität kann nur entstehen, wo ein starker nationaler Grundstock vorhanden ist, der einen gesunden Nährboden abgibt, aus dem heraus ein volklicher Charakter sich entwickeln kann. Da Universalität nicht dann beruht, daß der Kulturbesitz der verschiedenen Nationen nebeneinander steht, sondern darin, daß eine außerordentlich starke Kraft vorhanden ist, die das den verschiedenen Nationalbesitzen Entnommene zu einer neuen, über allen thronenden Einheit vereinigen kann, so vermag nur eine starke persönliche Sonderkraft diese Arbeit zu leisten. So sind die universalen Künstler, die Deutschland hervorgebracht hat, urdeutsche Naturen, während eine lange Reihe deutscher Künstler ganz in fremden Nationalkünsten untergetaucht sind, weil ihnen dies Rückgrat der eigenen Volkskraft fehlte.
Daß es dahin gekommen ist, beruht auf den äußeren Erlebnissen unseres Volkes. Wir brauchen darauf nicht näher einzugehen. Der Dreißigjährige Krieg hat die deutsche Nation als Staat zertrümmert; was nachher entstand, war die Karikatur eines Volksstaates. Absolutistisch geknechtete Völker nehmen die Kunst, die ihnen von den Herrschenden geboten wird. Die Herrschenden in Deutschlandhaben sich, als die Kunst des eigenen Volkes mit diesem vernichtet war, die Kunst vom Auslande geholt, waren ausländisch gebildet und haben an diesem geistigen und künstlerischen Besitze, der ihnen fertig und leicht zugänglich überwiesen wurde, festgehalten, selbst wenn sie als Staatsmänner alle Kräfte an die Neugestaltung eines deutschen Staates setzten. Friedrich II. wie Joseph II. waren einseitige Verehrer fremdländischer Kunst. So ist die deutsche Kunst gegen das Verhalten der deutschen Fürsten und des deutschen Volkes erkämpft worden von den einzelnen. Es ist leicht verständlich, daß in diesem Kampfe jene Künstler am erfolgreichsten sein mußten, die die Fähigkeit der Universalität in sich trugen, die imstande waren, die nun einmal herrschende Fremdkultur sich so zu eigen zu machen, daß ihr eigenes Schaffen die Werte des fremden nicht vermissen ließ. Nur so, nur wenn nichts wirklich Wertvolles preisgegeben zu werden brauchte, wenn die aus dem eigenen Volkstum geborene Kunst alle Vorzüge der fremden auch aufwies, konnte diese verdrängt werden. So hat in der Dichtung keiner mehr für das Nationale gewirkt als Goethe, in der Musik keiner mehr als Mozart.
Bei Mozart mag diese Behauptung zunächst verblüffen. Wir stehen vor der Tatsache, daß einige seiner herrlichsten Werke in italienischer Sprache geschrieben sind. Aber gerade durch diese italienischen Opern Mozarts ist die italienische Oper aus Deutschland verdrängt, die Herrschaft der italienischen Musiksinnlichkeit gebrochen worden; nach Mozart, dank ihm, war die Bahn frei für deutsche Musik. Ein Bach war wirkungslos vorbeigegangen; Händel war ins Ausland gezogen; Gluck hatte sein urdeutsches Wollen in Frankreich ins Leben gesetzt und hatte im Grunde nur den französischen Nationalbesitz vermehrt; Haydn ist erst nach Mozart zur Geltung gelangt. Dieser selbst konnte es noch erleben, mit seiner deutschen Oper »Zauberflöte« den Siegeszug des deutschen Musikdramas zu eröffnen.
Es ist zuzugeben, daß, wenn wir heute »Figaros Hochzeit« und »Don Juan« in deutscher Sprache aufführen, nicht der volle Reiz dieser Wunderwerke sich offenbart, obwohl der Verlust bei weitem nicht so schlimm ist, wie häufig hingestellt wird, vor allem nicht soschwer zu sein brauchte, wenn man eifriger um eine würdige Übersetzung bemüht wäre. Aber auch von den Anhängern der italienischen Aufführung wird keiner behaupten wollen, daß wir diese Werke nicht als deutsch empfinden , als deutsch freilich in jener Art, wie wir Goethes Iphigenie als Landsmännin begrüßen: die deutsche Seele im fremden Körper. Richard Wagner sagt: »So sehen wir denn, daß es doch ein Deutscher war, der die italienische Schule in der Oper zum vollkommensten Ideal erhob und sie, auf diese Art zur Universalität erweitert,
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