Mozart - Sein Leben und Schaffen
Meisterwerk geworden! Der Weg bis dahin war aber noch lang und führte über die Theater aller Kulturländer. Tirsos Drama soll schon um 1620 in Italien aufgeführt worden sein; bald folgten hier eigene Bearbeitungen. Die Italiener wieder verpflanzten das Stück nach Paris, wo vom Jahre 1657 ab verschiedene Bearbeitungen des Stoffes so großen Erfolg errangen, daß schließlich auch Molieré sich zur Aufnahme desselben entschloß. Sein »Don Juan ou le festin de pierre« (1665) versuchte, den Don Juan-Stoff in »die Höhe der Sittenkomödie« zu erheben. Moliere sah in Don Juan den Typus des rücksichtslos selbstsüchtigen Adligen seiner Zeit, dem jegliches Mittel recht ist, wenn er seine Lüste befriedigen kann. Die echte Leidenschaft, auch jene ritterliche Kühnheit, die den Spanier auszeichnet, sind hierverschwunden. Die Waffe von Molières Don Juan ist der scharfe Geist, eine zersetzende Vernünftelei. Mit Spott und Hohn setzt dieser Don Juan sich über die absichtlich gehäuften Gelegenheiten zur Reue und Buße hinweg. Man begreift, daß selbst einem Molière diese ins Wesen eingreifende Umwandlung nicht gelingen konnte. So liegt auch der Wert dieses Werkes gerade in jenen Szenen, die mit dem eigentlichen Don Juan am wenigsten zu tun haben. So, wenn er einen bettelnden Mönch abfertigt. »Was tust du hier?« fragt er ihn. »Ich bete zum Himmel für die Leute, die mir Gutes tun.« »Wenn du den ganzen Tag betest, muß es dir ja ausgezeichnet gehen.« Als der Eremit ihm versichert, daß das nicht der Fall ist, meint Don Juan, da der Himmel sich so wenig erkenntlich zeige, wolle er ihm ein Goldstück geben, falls er einmal fluche. Aber der Fromme erklärt, lieber sterben zu wollen, als so schwer sich zu versündigen. Eine andere Szene zeigt in köstlicher Art, wie Don Juan einen Kaufmann, der eine Forderung bei ihm zu erheben kommt, durch Liebenswürdigkeiten abfertigt, indem er ihn durch allerlei freundschaftliche Erkundigungen so ins Gespräch verwickelt, daß der Ärmste gar nicht seine Forderung aussprechen kann. So mißbraucht Don Juan seinen Geist wie die Feinheit der Erziehung, die ihm geworden. Diese beiden Szenen sind nach Mozarts Tod oft in sein Werk eingeschoben worden und haben sich da lange herumgetrieben, obwohl sie gar nicht hineinpaßten. Auch dem Italiener Goldoni ist der Versuch, 1736 aus Don Juan eine regelmäßige Komödie zu machen, nicht gelungen. Aus seinem Werke ist der eine Zug merkenswert, daß Donna Anna wider ihren Willen Ottavio verlobt worden ist und im Grunde Ton Juan liebt, auch gern bereit wäre, dem Mörder ihres Vaters zu verzeihen. – Auch in England kam Don Juan früh auf die Bühne.
In Deutschland wurde er seit 1716 auf den verschiedensten Theatern heimisch, und bis 1772 wurde z. B. in Wien alljährlich in der Allerseelenoktav »Das steinerne Gastmahl« – diese sprachliche Merkwürdigkeit findet sich sehr viel – improvisiert. Man kann sich vorstellen, daß unter den Händen der Schauspieler bei diesen Improvisationen die Spässe immer zahlreicher und geschmackloser wurden,während der eigentliche Grundgedanke immer mehr zurücktrat. Freilich, jener Kern der ganzen Sage, daß Don Juan in seinem Übermute das Standbild des von ihm ermordeten Gouverneurs zu Gaste läd und an seinem Übermute zugrunde geht, wurde in dieser ganzen Zeit nicht angetastet. Erst nach Mozart haben verschiedene neuere Dichter am Rahmen der Don Juan-Sage selbst etwas geändert. Doch mag man über diese neueren Abwandlungen des Stoffes die vorzügliche Studie von R. Engel »Die Don Juan-Sage auf der Bühne« (1887) vergleichen. Hier haben wir noch nach den unmittelbarsten Vorläufern von Mozarts Meisterwerk zu suchen.
Die frühere, hauptsächlich auf Schack gegründete Annahme, daß des Spaniers Antonio de Zamora (1725) »Steinerner Gast« das Vorbild des da Ponteschen Textes sei, hält einer genauen Untersuchung nicht stand; vielmehr bedeutet dieses in Einzelheiten packende Drama eigentlich noch eine Verwilderung des Ganzen gegenüber dem ursprünglichen Werke Tirso de Molinas. Nein, da Ponte hat es noch viel bequemer gehabt. Zwar brüstet er sich in seinen Erinnerungen, daß er zu gleicher Zeit es übernommen habe, für Salieri den »Tarrar«, für Martin den »Baum der Diana« und für Mozart den »Don Giovanni« zu schreiben und dem ihn darüber zur Rede stellenden Joseph II. kühn geantwortet habe: Er werde morgens für Martin schreiben, als studiere er Petrarca; abends für Salieri, der wäre
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