Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mozart - Sein Leben und Schaffen

Mozart - Sein Leben und Schaffen

Titel: Mozart - Sein Leben und Schaffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Storck
Vom Netzwerk:
als Elvira eintritt, umsonst beschwört sie ihn zur Umkehr, zur Reue. Gebrochen wankt sie von dannen. Von draußen hören wir ihren furchtbaren Schrei und einen wuchtig polternden Schritt. Dröhnend schlägt es an die Tür. Keiner wagt zu öffnen. Als Don Juan es selber tut, steht der steinerne Gast vor ihm. Auch er mahnt Don Juan zur Reue. Es ist umsonst. Da brechen die Flammen der Hölle aus dem Boden hervor und verschlingen den Frevler. So ist die irdische Gerechtigkeit überflüssig geworden. Als Donna Anna und Ottavio mit Donna Elvira, Zerline und Masetto erscheinen, kann ihnen Leporello nur das entsetzliche Ende seines Herrn verkünden.
    Bis auf diese letzte Szene, die völlig überflüssig ist und höchstensaus der pedantischen Erklärung, daß es sich hier doch um ein » Drama giocoso « handle, gerechtfertigt werden kann, wird man dem Text da Pontes das Zeugnis nicht versagen, daß er von allen Behandlungen des Stoffes die dramatisch straffste ist. Gewiß bringt der zweite Akt manches Episodische und schließt sich nicht so eng zusammen wie der erste; aber keine der Szenen ist in sich wertlos und alle sind vorzügliche Gelegenheiten zu Musik. Nur sollte man diese ursprüngliche Zahl der Szenen auf keinen Fall vermehren. Mozart hat sich bereit finden lassen, für Wien eine Szene nachzukomponieren, durch die das Buffo-Element der Oper vermehrt wird. Wie andere noch allerlei einschoben, haben wir bereits gehört. Das sind Zugeständnisse an den Zeitgeschmack gewesen, die Mozart sicher nicht gern gemacht hat. Aber auch die oben erwähnte Schlußszene dürfen wir als ein Zugeständnis an den Zeitgeschmack betrachten und unbedenklich streichen. Unser Empfinden für die Personen, die durch Don Juan so schwer geschädigt worden sind, ist größer, wenn wir sie nicht mehr in ihrer irdischen Kleinheit sehen, nachdem die Gewalt der himmlischen Mächte sie bereits gerächt hat. Es ist eine höhere Treue gegen den Meister, wenn man in solchen rein vom Zeitgeschmack geforderten Dingen, die mit dem Wesen des Kunstwerkes gar nichts zu tun haben, so handelt, wie es der in diesem Falle zweifellos geläuterte Geschmack unserer durch die große Dramatik der deutschen Dichter hindurchgegangenen Zeit erheischt.
    Mag da Ponte das Verdienst der geschlossenen und echt dramatischen Szenenführung gehören, Mozart gebührt zweifellos jene Arbeit am Stoffe, durch die sein Werk vor allem den hohen Rang in der Weltliteratur einnimmt: die Erhöhung der Charaktere , und damit die Steigerung des Ganzen aus einer mehr örtlichen Einzelsage zum allgemein gültigen Menschheitsgedicht . Gazzanigas Oper ist wie die vorangehende Righinis ganz Buffo-Oper, und auch Mozart mag da Pontes ersten Vorschlag zunächst als einen solchen aufgefaßt haben. Aber in dieser Zeit hatte er seinen Vater, seinen jungen Freund, den Grafen Hatzfeld, durch den Tod verloren. Wie groß und überlegen er über den Tod dachte, wissen wir aus seinenBriefen. Schwer stand das äußere Leben vor ihm. An fast täglichen Heimsuchungen im kleinen und großen fehlte es nicht. Die großen Instrumentalwerke dieser Zeit bezeugen, daß er oft aus schweren seelischen Zuständen sich zur Klarheit durchringen mußte. Er hatte die innere Tragik des Lebens ausgekostet. So waren die äußeren und inneren Bedingungen des Erlebens erfüllt zur Erfassung der ganzen Tiefe und Größe des Stoffes, der bislang in ihm wesensfremden Formen versteckt lag. Da konnte » Don Giovanni « keine Opera buffa mehr werden, wohl aber ein Drama giocoso . Für Mozarts Weltanschauung stand der Glaube an die Gotteskindschaft fest. Das Walten der ewigen Gerechtigkeit hat er nie bezweifelt. Aber seiner ganzen Natur nach, in der auch die zeugende Lebenskraft – die künstlerische allerdings – mit der Macht einer Urgewalt schaltete, mußte er verständnisvolle Liebe für einen Menschen finden, der in gleicher Weise, unbekümmert um alles außer ihm Stehende, seine überlebensgroße Naturanlage auslebte. Alle großen Künstler haben eine starke Kraft der Lebensbetätigung, teilen die Verachtung aller jener Schranken und Hindernisse, die von irgendwelchen Gegenmächten gegen das Ausleben ihres eigenen Seins aufgestellt werden. Die Kunst ist für diesen ungeheuren Lebenstrieb ein Ventil, das eine Art der Betätigung ermöglicht, die der Außenwelt sich nicht als tragisch offenbart, es allerdings sehr oft für den einzelnen Künstler ist. Hier begegnet Mozart Don Juan, den freilich seine Anlage gerade auf den

Weitere Kostenlose Bücher