Mozart - Sein Leben und Schaffen
sein Tasso; in der Nacht aber für Mozart, da werde es ihm sein, als lese er Dantes Hölle. In Wirklichkeit hat er für die Mozartische Dichtung nicht bei Dante sich begeistert, sondern einfach die im Karneval 1787 zu Venedig aufgeführte Oper »Il convitato di pietra« , Text von Gius. Vertati , Musik von Gius. Gazzaniga , studiert. Das war keineswegs die erste Don Juan-Oper. In Paris war bereits 1713 eine auf die Bretter gekommen; 1761 erschien das berühmte Ballett von Gluck in Wien. Auch eine Oper von Vincento Righini war hier bereits 1777 zur Darstellung gekommen.
Pflegt im allgemeinen bei der Umarbeitung von vorhandenen Dichtungen zu Operntexten eine Abschwächung des Dichterischen zu erfolgen, so mußte im vorliegenden Fall die Notwendigkeit, bei derBehandlung für Musik die buntscheckige Mannigfaltigkeit des ursprünglichen Dramas einzuschränken, ziemlich sicher zu einer schärferen Herausarbeitung der Grundlinien führen. Tiefe Vereinfachung des Geschehens schreitet denn auch in den genannten Opern immer weiter vor, und in der Oper Gazzanigas liegt die Handlung in allem Wesentlichen so, wie wir sie von der Mozartischen Oper her kennen. Es ist natürlich jetzt nicht mehr zu entscheiden, ob überhaupt erst durch diese Oper Gazzanigas da Ponte auf den Gedanken gekommen ist, Mozart gerade diesen Gegenstand vorzuschlagen, da er erkannt hatte, »daß Mozarts Genie ein vielseitiges und erhabenes Gedicht verlange«. Jedenfalls ist diese Oper sehr bald nach Wien gekommen und da Ponte und Mozart bekannt geworden. Und kann man in Mozarts Musik nur an wenigen Stellen eine leichte Beeinflussung durch Gazzaniga feststellen, so hat um so sicherer da Ponte das Vorbild ausgiebig benutzt. Wenn wir von den vielfach anderen Namen in den kleineren Rollen absehen, so zeigt der Text der Gazzanigaschen Oper fast ganz das Bild der Mozartischen. Es ist keine Ouvertüre vorhanden, vielmehr sehen wir beim Aufgehen des Vorhanges Don Juans Diener Schildwache halten vor dem Kaufe des Komturs. Da stürzt Don Giovanni mit Donna Anna heraus, die versucht, ihm die Maske abzureißen und ihren Vater zu Hilfe ruft. Es kommt zum Zweikampf, der Komtur fällt. Als Donna Anna mit ihrem Bräutigam Ottavio herbeieilt, ist der Mörder mit seinem Diener entflohen. Donna Anna verkündigt ihrem Bräutigam, daß sie sich ins Kloster zurückziehen werde, bis es ihm gelungen sei, den Mörder zu entdecken und zu bestrafen. Hier liegt nun der schwerste Mangel gegenüber dem da Ponteschen Texte, daß Donna Anna bei Gazzaniga nicht wieder auftritt. Dadurch ist dieser bei Mozart so erhabene Frauencharakter ziemlich bedeutungslos. Das ist um so schlimmer, als Gazzaniga jetzt, um doch noch drei Frauen zu haben, Don Juan ein neues Liebesverhältnis mit einer vornehmen Dame Ximena anknüpfen läßt, in dem er gestört wird durch die von ihm verlassene Elvira, die ihm aus Burgos nachgereist ist. Dasselbe Mittel, mit dem er hier Ximena über die Anklage Elviras dadurch zu beruhigen weiß, daßdiese aus Liebe zu ihm verrückt sei, wendet er nachher gleichzeitig bei drei Frauen an, als er noch das Bauernmädchen (bei Mozart Zerline) ihrem Bräutigam abspenstig macht. Es folgt dann die Einladung der Statue, die hier, wie später bei da Ponte, der Diener unter dem Zwang Don Juans aussprechen muß. Im Hause Don Giovannis sitzt er heiter beim Gastmahle, als es klopft und zum Entsetzen der Diener der Komtur erscheint. Don Giovanni verspricht ihm, wiederzukommen, gibt ihm die Hand darauf, weist die Mahnung zur Buße zurück und verfällt den Höllengeistern. Nachdem die Hölle verschwunden und der Saal wieder erschienen ist, kommen Ottavio, Ximena, Elvira und Zerline und vereinigen sich, als sie das Geschehene erfahren, zu einem heiteren Schlußgesang.
Man erkennt die wesentlichen Fortschritte des Textes dieser Gazzaniga-Oper gegenüber dem alten spanischen Drama, vor allem in der Beseitigung der Szene in Neapel und des Idylls mit der Fischerin, so daß wir also hier gleich in die große entscheidende Handlung eingeführt werden. Ein Fortschritt liegt ferner darin, daß die Katastrophe mit einem Gastmahl hereinbricht. Aber so viel da Ponte diesem Vorbilde zu verdanken haben mag, das Verdienst muß man ihm lassen, daß er es doch wesentlich verbessert hat. Vor allem durch die Steigerung der Gestalt Donna Annas. Dadurch, daß sie selber die Verfolgung des Mörders betreibt, wird nicht nur die ziemlich farblose Gestalt der Ximena überflüssig, sondern auch erreicht, daß sie
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