Mozart - Sein Leben und Schaffen
Skizzierte führte er abends im Wirtshaus aus. Er konnte dabei erst in Prag die endgültige Besetzung erfahren, für die zwei besondere Sängerinnen aus Italien verschrieben waren, und es ist bezeichnend für die Art, wie er aus der Gewohnheit der Opera seria herausgewachsen war, daß er zuerst die Liebhaberrolle einem Tenor zugedacht hatte, während sie doch aller Überlieferung gemäß einem Kastraten zufiel. Das heißt, man war jetzt menschlicher geworden; an die Stelle des Kastraten trat eine Sängerin, was aber in dramatischer Hinsicht natürlich noch eine Verschlechterung bedeutete. In achtzehn Tagen war das Werk fertig; am 6. September kam es zur Aufführung und gefiel sehr wenig. Der Beifall hat sich ja später etwas gefestigt, die Oper hat auch verhältnismäßig schnell den Rundgang über die Bühnen angetreten, aber alles in allem müssen auch wir die Oper als solche ablehnen und können nur einige Stücke daraus als musikalische Perlen für den Konzertsaal retten.
La clamenza di Tito war bereits 1734 von Metastasio gedichtet und im gleichen Jahre mit einer Komposition Caldaras zum Namenstage Karls VI. aufgeführt worden. Dem Stoffe nach eignet es sich in hohem Maße zur Fürstenhuldigung, und ist als solche denn auch mehrfach von bedeutenden Komponisten vertont worden (u. a. 1735 von Leo, 1737 von Hasse, von Iomelli, 1751 von Gluck, 1760 von Scarlatti, 1769 von Raumann). Für die neue Aufführung hatte der sächsische Hofpoet Mazzola das Buch neu bearbeitet, den Gang der Handlung von einigen Episoden befreit und die ausgedehnten Sekkorezitative vielfach durch Arien und vor allem durch Ensemblesätze ersetzt, welch letztere man nicht mehr in der Oper missen mochte. Der Inhalt ist eine Verherrlichung der sprichwörtlich gewordenen Milde des Kaisers Titus. Vitellia , des durch KaiserVespasian entthronten Vitellius Tochter, sinnt auf Rache, da sich ihre Hoffnung, Titus werde sie zur Gemahlin begehren, nicht erfüllt hat. Sie benutzt die Leidenschaft des für sie entbrannten Sextus , um diesen zur Ermordung des Kaisers zu bereden. Obwohl mit Titus befreundet, läßt sich Sextus zur Tat bereden. (Verwandlung.) Inzwischen hat Titus seine Geliebte Berenice aus Rom entfernt und bittet bei einem glänzenden Feste den Sextus um die Hand seiner Schwester Servilia . Betroffen schweigt dieser, da er weiß, daß sein Freund Annius Servilia liebt. Aber Annius gewinnt es über sich, dem Kaiser Servilias Vorzüge ins hellste Licht zu setzen, um dieser das glänzende Glück zu verschaffen. Doch Servilia bleibt ihrer Liebe treu, eilt zu Titus, der willig seinem Wunsche entsagt, um Annius glücklich zu sehen. Vitellias Wut aber ist durch diese Nachricht von des Kaisers Werbung um Servilia aufs höchste entfacht, so daß sie Sextus gebietet, den Mordplan sofort ins Werk zu setzen. Wie groß ist ihr Entsetzen, als sie zu spät vernimmt, daß Titus jetzt sie zur Gemahlin erkoren hat. – Nach einer neuen Verwandlung stehen wir vor dem Kapitol, das die Verschworenen in Brand gesetzt haben. In furchtbarstem Kampfe zwischen der Leidenschaft für das Weib und der Liebe für den Freund hat Sextus den Mord an Titus vollbracht. Damit schließt der erste Akt. Auch der zweite hat drei Szenen auf verschiedenen Schauplätzen. In der ersten beschwört Vitellia Sextus, zu fliehen, woran dieser durch die Verhaftung verhindert wird; gefangene Mitverschworene haben ihn als Rädelsführer genannt. Titus selbst lebt; Sextus hat einen Mann getroffen, der zufällig des Königs Mantel trug. In der zweiten versucht Titus umsonst von Sextus zu erfahren, wie er trotz ihrer Freundschaft zu dieser Tat gelangen konnte. Sextus schweigt, um Vitellias Ehre zu schonen, und so muß Titus das vom Senat gefällte Todesurteil bestätigen. Als im Amphitheater alles bereit ist, um an Sextus die Strafe zu vollziehen, gewinnt es Vitellia endlich über sich, ihre Schuld einzugestehen. Tief erschüttert steht Titus. Er überwindet aber jeden Rachegedanken und verzeiht allen.
Man kann bei allen diesen Personen kaum von Charakterenreden. Es sind Schablonen, deren Handeln und Fühlen uns kaum irgendwo Teilnahme abgewinnt. Nur in Vitellia wühlt wenigstens der starke Strom wilder Leidenschaft. Aber diese ist auch wieder so maßlos, so geradezu stereotyp, daß auch hier eine menschliche Teilnahme für sie nicht wachwerden kann, zumal der Umschwung in ihrer Gesinnung so spät eintritt, daß er nur eben dazu ausreicht, einen günstigen Schluß herbeizuführen.
Man kann es
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