Mozart - Sein Leben und Schaffen
schier unmittelbar ganz fröhliche Auslassungen stehen, zu denen sich seine schwunghafte Natur bei jeder günstigen Wendung sofort wieder aufraffte.Im übrigen erhoffte er jetzt das baldige Ende seiner trüben Umstände. Er hatte dem Kaiser von seinem Aufenthalt in Berlin erzählt. Allerdings das ihm dort gemachte Anerbieten wirklich fruchtbar für sich zu machen, verstand er nicht. Es bedurfte nur der Frage Josephs II.: »Wie, Mozart, Sie wollen mich verlassen?« und dieser beeilte sich zu antworten: »Majestät, ich bleibe.« Bedingungen aber an sein Bleiben zu knüpfen, fiel ihm nicht ein. Dazu setzte er bei den anderen dieselbe vornehme Gesinnung voraus, die er selber hegte. Zunächst aber geschah nichts, als daß Ende August sein »Figaro« nach zweijähriger Pause wieder auf die Bühne kam und erneut großen Erfolg gewann. Da endlich erteilte ihm der Kaiser den Auftrag, eine neue Oper zu schreiben. Es war
Cosi fan tutte
ossia la scuola degli amanti : »So machen es alle, oder die Schule der Liebenden.« Im Dezember hat Mozart die Oper geschaffen, im Januar 1790 ist sie als vollendet in sein Verzeichnis eingetragen, am 26. Januar wurde sie zum ersten Male im Burgtheater, wie es scheint mit Erfolg, aufgeführt. Es fehlen uns nämlich gerade über diese Oper eingehendere zeitgenössische Berichte.
Wenn der alte Niemetschek sagt: »Es stand nicht in seiner Gewalt, den Auftrag abzulehnen, und der Text ward ihm ausdrücklich aufgetragen«, so klingt das wie eine Entschuldigung. Andere Biographen weisen auf die gedrückte Lage Mozarts hin, um zu erklären, daß er dieses Werk geschaffen hat. Richard Wagner meint: »O, wie ist mir Mozart innig lieb und verehrungswürdig, daß es ihm nicht möglich war, zu Cosi fan tutte eine Musik wie die des Figaro zu erfinden: wie schmählich hätte dieses die Musik entehren müssen!« Man kann diese allgemeinen Einstellungen einem Werke Mozarts gegenüber wohl als Verurteilung bezeichnen, die ihren Grund im wesentlichen im Textbuch hat. Da Ponte hat hier gewiß kein Meisterwerk geliefert. Auch rein technisch steht die Arbeit hinter anderen zurück. Vor allen Dingen aber nimmt man Anstoß an der »Frivolität« des Stoffes. Ein alter Lebemann reizt zwei jüngere Offizieredurch seine Behauptung, daß es wirkliche Weibertreue nicht gebe, um so mehr zu heftigem Widerspruch, als beide verlobt sind. Jeder sieht in seiner Braut – es sind Schwestern – ein unbedingt verläßlich treues Weib. Der alte Kenner geht mit ihnen eine Wette ein. Sie müssen einen Tag ihm in allem gehorchen, was er ihnen befiehlt. So kann das Spiel beginnen. Die beiden Offiziere nehmen schmerzbewegten Abschied von ihren Bräuten, da sie in den Krieg ziehen müssen. Kurz darauf führt sie der Alte ins Haus zurück in der Verkleidung von Albanesen, die nun den Sturm auf die beiden in Schmerz ganz aufgelösten Mädchen unternehmen müssen, und zwar so, daß jeder die Braut des anderen zu gewinnen trachtet. Der erste Ansturm bleibt erfolglos. Sie finden einen Bundesgenossen in der Kammerzofe, deren Lebensgrundsatz den Genuß der Stunde verkündet, da die Männer ja auch nicht besser seien. Was der Zweifel und das stürmische Liebeswerben bei den Mädchen nicht fertigbringen, erreicht nachher eine Vergiftungskomödie der unglücklichen Liebhaber. Kurz, schon am Abend unterzeichnen die beiden Mädchen, die eine freilich nach längerem Widerstreben, den Verlobungsvertrag mit den beiden neuen Bewerbern. Da kommt das Gerücht, daß die beiden Offiziere mit ihrem Regiment bereits zurückgekehrt sind. Es folgt die Entlarvung – der Alte hat seine Wette gewonnen, bei den jungen Paaren weicht die Entzweiung bald der Versöhnung.
Es fällt mir nicht ein, diesen Text vom Vorwurf der Frivolität retten zu wollen. Sieht man im Drama immer eine Abspiegelung des Lebens, so ist die ganze hier geführte Intrige gemein und doch auch höchst unwahrscheinlich. Aber das Theater kann auch nur Spiel sein, Unterhaltung. Gewiß liegt darin nicht seine höchste Aufgabe; aber eine hochgesteigerte formale Lebenskultur wird für ein solches bewußtes Spiel mit Lebenserscheinungen immer viel übrighaben. Auf eigentliche Lebenswahrheit des Ganzen kommt es dabei nicht an, sondern auf das Ergebnis, daß unter gewissen Voraussetzungen eine geistvolle oder auch nur launige Unterhaltung ersteht. Das Theater der Romanen bietet dafür Beispiele in großer Zahl. Ich persönlich gestehegern, daß ich Mozarts » Cosi fan tutte « aufrichtig liebe.
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