Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
Vom Netzwerk:
führte sie ans Pult. Er ließ seine Faust auf den Manuskriptstapel fallen. «Diese, Madame. Ich werde diese nehmen.»
    Bevor Constanze antworten konnte, hob ich eine Hand vor meine Augen und taumelte gegen das Pult, wobei etwas von dem Wein überschwappte. Ich spielte die Jammervolle und zwang mir sogar Tränen ab.
    «Es tut mir leid, mein Herr», sagte ich. «Sie werden mich für hoffnungslos empfindsam halten. Mich hat der Gedanke überwältigt, die Schöpfungen meines geliebten Bruders zuverlieren. Es ist, als sei er auf diesen Blättern noch lebendig, verstehen Sie?»
    «Ich verstehe vollkommen, Madame.»
    Seine Stimme war grantig, aber Constanze machte allerlei Aufhebens um mich, und ich wusste, dass ich bekommen würde, was ich wollte.
    «Wenn Sie die Manuskripte nur noch einige Tage hierlassen könnten, mein Herr, damit ich sie kopieren kann», sagte ich. «Ausschließlich für meine eigenen Zwecke.»
    Der Gesandte warf einen Blick auf die Manuskripte. Er schluckte wie ein Kartenspieler, der mit einem schlechten Blatt auf den Einsatz starrt, der ihm verloren zu gehen droht. «Nun ja …»
    «Natürlich, Schwester», sagte Constanze. «Ich helfe dir beim Kopieren. Seine Gnaden, der Gesandte, wird gewiss nichts dagegen haben.»
    Der Preuße trommelte mit den Fingern auf die Pultkante. «Ich nehme an …»
    Constanze hielt sich an einem seiner Rockknöpfe fest. «Euer Gnaden, haben Sie Mitleid. Die Bitte meiner lieben Schwester wird Ihre Pläne nicht allzu sehr verzögern.»
    Jacobi verbeugte sich langsam und tief und atmete durch die Nase aus. Er bemühte sich um einen munteren Ton. «Ich muss mich jetzt verabschieden, um einen Freund zum Abendessen zu treffen», sagte er und schlug sich auf den dicken Bauch. «Musik ist leider nicht die einzige Nahrung, derer ich bedarf.»
    An der Tür ging er dicht an Constanze vorbei und drückte ihr eine Börse in die Hand. Als er sah, dass ich ihre Transaktion beobachtet hatte, verschwand das jägerhafte Glitzern aus seinen Augen. Sein Blick irrte umher wie aufgescheuchtes Wild. Er ging mit Constanze durch den Flur.
    Auf der Suche nach einem Hinweis auf das, was der Preußegefunden haben könnte, blätterte ich die Manuskripte durch. Ein Muster war nicht erkennbar. Streichquartette, ein Violinkonzert, eine Klaviersonate, einige Lieder, das unvollendete Requiem.
    Ich bezweifelte nicht, dass diese Stücke wert waren, was auch immer der Preuße dafür zu zahlen bereit war, wenn nicht viel mehr. Aber als ich an Wolfgangs geheime Mission in Berlin dachte, war ich mir sicher, dass Jacobi nach etwas anderem als großartiger Musik gesucht hatte.
    Vom Fenster aus beobachtete ich, wie der Gesandte auf die Straße ging.
    Er klatschte in die Hände. Im Dunkeln knallte eine Peitsche, und eine Kutsche ratterte ihm über das Pflaster entgegen. Ein Lakai in einem blauen Mantel sprang ab. Er half Jacobi, seinen massigen Körper in die Kutsche zu wuchten, hockte sich auf den Sitz neben dem Kutscher und schlang sich wegen der Kälte die Arme um den Leib.
    Eine Kavalleriepatrouille klapperte die Straße entlang und signalisierte damit, dass es auf elf Uhr zuging. Der Hauptmann der Berittenen salutierte im Vorbeireiten Jacobis Kutsche.
    Constanze kam zurück. «Er hat das Requiem gekauft, Schwester, die Totenmesse», sagte sie. «Mir kommt es so vor, als hätte er Wolfgangs Tod gekauft.»
    Und du hast ihn verkauft, dachte ich. Gleich darauf tat mir meine harte Reaktion leid. Ich umfasste ihre schmalen Schultern.

19

    Als wir unsere Umarmung lösten, klimperten die Münzen in der Börse. Constanze biss sich mit ihren kindlich-weißen Zähnen auf die Unterlippe.
    «Einhundert Dukaten», sagte sie. «Für jede Komposition. Zusammen achthundert Dukaten.»
    Ich murmelte eine wenig überzeugende Zustimmung und blickte zu den Partituren auf dem Pult.
    In der Küche schimpfte das Mädchen, und Constanzes kleiner Hund flitzte über die Dielen. Gaukerl erschien mit einem Brötchen zwischen den Zähnen. Er ließ es vor Constanzes Füßen fallen.
    «Er hat es mir aus der Hand geschnappt, Madame», sagte das Mädchen.
    Constanze lachte, schob sich Jacobis Börse in den Ärmel und hob den Hund hoch. «Schon gut, Sabine. Er darf einen Happen Brot zu Abend haben. Nicht wahr, du kleiner Gauner.» Sie riss das Brötchen entzwei und hielt es dem munteren Hund vor die Nase.
    Sie wirbelte auf Zehenspitzen herum und drückte sich dabei den Hund an den Hals. «Schwester, ich bin bester Laune. Lass uns Billard

Weitere Kostenlose Bücher