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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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lediglich vor Armut bewahren wollte. Aber ich wusste, dass das nicht stimmte. Ich hielt den Mund und senkte die Augen. Dass mein Vater Wolfgang enterbt hatte, war die Gehässigkeit eines alten Mannes, der sich von seinem brillanten Sohn zurückgesetzt gefühlt hatte.
    Constanze ging in Wolfgangs Arbeitszimmer und schob rasselnd den Rollladen des Schreibtisches hoch.
    Ich ging zur Tür. Hinter mir flüsterte das Mädchen Karl zu, mit ihr in die Küche zu kommen. In seiner Wiege greinte der kleine Wolfgang.
    Als sie sich vom Schreibtisch abwandte, fielen Constanze die schwarzen Locken ins Gesicht. Sie schwenkte ein Blatt Papier und kam mit vorgerecktem Kinn auf mich zu. «Sieh dir das an. Seine Vermögensaufstellung. Der verdammte Billardtisch ist der wertvollste Besitz, den er mir vermacht hat.»
    Ich überflog die mit Bleistift geschriebenen Zahlenreihen und die gekritzelten Beschreibungen aller Gegenstände in der Wohnung.
    «Wertvoller als alles andere – außer seinen Partituren», sagte sie. «Verstehst du mich?»
    Ich blinzelte und nickte.
    «Er hätte viel mehr Geld verdienen können», sagte sie. «Für Unterricht hat er sechs Dukaten im Monat verlangt, aber er hat nur wenige Schüler angenommen, weil er lieber komponieren wollte.»
    Selbst für einen berühmten Musiker wie Wolfgang waren sechs Dukaten ein enormes Honorar. Ich fragte mich erneut, wie sich Magdalenas Mann als Justizbeamter eine derartige Extravaganz hatte leisten können.
    «Habe ich je von ihm verlangt, des Geldes wegen wenigerzu komponieren und mehr zu unterrichten? Nie. Ich nicht.» Constanze drückte mir die Liste in die Hand und drängte sich an mir vorbei.
    Sie beugte sich über eine Truhe neben dem Bett, zog ein paar Jacken und Hosen heraus und warf sie auf den Diwan. Einen roten Gehrock presste sie schluchzend an sich.
    «Den hat er zu den Premieren all seiner Opern getragen. Bei all seinen wichtigsten Konzerten.» Sie strich mit der Hand über den Stoff und spielte an einem der Knöpfe herum. Er war aus Perlmutt mit einem roten Stein in der Mitte. «Ein Geschenk der Baronesse Thun. Er mochte den Rock sehr.»
    Ich hielt sie am Arm fest und führte sie zum Bett. Ich legte sie hinein und deckte sie zu. Sie drehte sich zur Wand, erschöpft von der Verzweiflung, verlassen und verarmt zu sein. Ich strich ihr im Nacken übers Haar. Dann legte ich den roten Rock wieder in die Truhe.
    Das Mädchen stand, die roten Hände auf Karls Schultern, in der Tür. Der Junge sah, wie der Rücken seiner Mutter zitterte.
    «Schlafenszeit, Karlchen», sagte ich.
    Während Karl sich auszog, schaukelte das Mädchen die Wiege.
    Ich ging in Wolfgangs Arbeitszimmer und sah mir seine Bücherregale an. Voller Erinnerungen. Ich zog ein Buch mit Metastasios Libretti aus dem Regal und strich mit dem Finger über die Titelseite. Die Turiner Werkausgabe des berühmten Hofpoeten in neun Bänden. Sie war ein Geschenk des Grafen Firmian in Mailand gewesen, nachdem Wolfgang für ihn gespielt hatte. Mein Bruder war damals vierzehn Jahre alt gewesen.
    Ich setzte mich in einen Lehnstuhl ans Fenster, breitete eine Decke über meine Beine und legte mir das Buch auf den Schoß.
    Draußen auf der Ballgasse verließen Spieler den Hof nach einem nächtlichen
jeu de paume.
Die Schultern gegen die Kälte hochgezogen, verabschiedeten sie sich lautstark voneinander.
    Die Straße leerte sich. In den Hauseingängen wallte und wogte die Dunkelheit, als wäre sie ein vom Wind verwehter, herumlungernder Dieb.
    Die Tastatur von Wolfgangs Klavier glänzte bläulich im Mondlicht. Ich klappte den Deckel zu und schlief ein.

20

    Vor Morgengrauen erwachte ich steif und kalt in meinem Lehnstuhl, die Hand um Metastasios Buch verkrampft. Ich blickte zitternd hinaus in die Nacht. Sie verbarg die Männer, die versucht hatten, mich zu töten, und bedeckte die finsteren Geheimnisse Wiens, vor denen Prinz Lichnowsky mich gewarnt hatte.
    Ich reckte den Hals und nahm mir vor, mich nicht vor dem kommenden Tag zu fürchten. Am gleichen Fenster musste Wolfgang einen neuen Tag ersehnt, sein Kommen vom Herrn erfleht haben, als er die Zerstörungskraft des Gifts in seinem Körper spürte. Er war mir jetzt ständig nah, sei es im Tageslicht oder im verstohlenen Schrecken der Nacht. Ich wollte die Morgendämmerung willkommen heißen und in der Frühmesse für seine Seele beten.
    Ich raffte Mantel und Handschuhe zusammen und schlich zur Tür. Die Uhr auf Wolfgangs Schreibtisch zeigte halb sechs. Constanze lag, den

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