Mozarts letzte Arie
spielen.»
«Ich habe schon lange nicht mehr gespielt.»
«Wolfgang und ich haben jeden Tag eine Partie gespielt. Er hat dabei seine lange Pfeife geraucht und ein albernes Liedchen gesummt. Ich musste ihm immer sagen, dass er still sein sollte, wenn ich an der Reihe war. Und wenn ich dann dieMelodie das nächste Mal hörte, war es eine wunderbare Symphonie.» Sie drückte den Hund an sich und setzte ihn dann wieder auf den Boden.
Das Glücksgefühl, das sie überkommen hatte, war ansteckend. Ich folgte ihr ins Nebenzimmer. Wir schoben die Stühle an die Wand, um genug Platz für die Billardqueues zu haben.
Constanze führte den ersten Stoß aus. Sie ließ die Kugel erst gegen die rote und dann gegen meine prallen.
«Dein Punkt», sagte ich.
Sie jubelte und tat so, als bliese sie in eine Trompete.
Den ganzen Abend hatten mich seltsame Enthüllungen über Wolfgang beschäftigt. Auch saß mir immer noch der Schrecken wegen der Messerattacke in den Gliedern. Es war wie ein zusätzlicher Takt, der sich in den Rhythmus meines Pulsschlags mischte, so dass er unregelmäßig und fiebrig wurde. Erleichtert lachte ich Constanze an.
Sie stieß ihre Kugel in Richtung meiner, traf mit der Queuespitze unterhalb der Mitte, sodass der Effet ihre Kugel auf die rote zurückprallen ließ. Sie jauchzte und wackelte vor Freude mit den Hüften. «Bagatelle!», rief sie.
Ihre Ausgelassenheit wirkte befreiend. Trotz des Frosts in den Fensterkreuzen schien sich der Raum zu erwärmen.
Als ich meinen Stoß ausführte, blieb die Spitze meines Queues im Filz stecken. Meine Kugel kullerte in Richtung Bande.
«Wahrscheinlich klappt es besser, wenn du die Kugel mit einem Furz über den Tisch bewegst.» Constanze lachte, verstummte aber plötzlich. Sie sah mich an, weil sie meine Missbilligung befürchtete. Schamesröte überzog ihre Wangen.
Ich drehte mich mit dem Rücken zum Tisch, schob meinen Hintern vor und pupste. «Bagatelle», rief ich. Wir umarmten uns kichernd.
Constanze nahm für ihren nächsten Stoß Maß, doch bevorsie ihn ausführte, ließ sie den Queue auf die Platte fallen. «Was soll ich bloß tun, Schwester?» Sie schlug die Hände vors Gesicht und schluchzte.
Es war, als hätten wir uns niemals fröhlich umarmt. Ich meinte, sie in ihrem Elend jetzt nicht berühren zu dürfen. Ich hatte genauso geweint, als sie meinen Bruder geheiratet hatte, weil ich wusste, dass ich nun zur Altenpflegerin meines Vaters werden würde. Ich verhärtete mich gegen ihren Kummer, weil er mich an meinen eigenen erinnerte.
«Schulden. Nichts als Schulden», weinte sie. «Das ist alles, was er mir hinterlassen hat.»
«Du hast achthundert Dukaten, die dich vorm Armenhaus bewahren.» Ich hörte, wie mangelnde Sympathie mir die Stimme abschnürte. «Offensichtlich muss Wolfgang bei seinem Besuch am preußischen Hof einen wunderbaren Eindruck gemacht haben.»
Sie schniefte und rieb sich die Augen.
«Ich meine, wenn ihm vom König dort eine derartige Summe zur Verfügung gestellt wird», sagte ich. Schon wieder das Thema Berlin. Gerade, als ich mich eben zu entspannen begann.
Unmut verdüsterte Constanzes Gesicht. Ihre Wangen röteten sich erneut, aber diesmal nicht vor Beschämung. Sie beugte sich über den Billardtisch, spielte eine Karambolage und positionierte sich bereits für den nächsten Stoß, bevor die Kugeln noch zur Ruhe gekommen waren.
«Achthundert Dukaten sind eine dürftige Kompensation für das, was Wolfgang auf seiner Reise nach Preußen ausgegeben hat», sagte sie.
Die Kugeln klackten, und sie nahm für den nächsten Stoß Maß.
«Als er noch lebte, haben ihm die Preußen nicht mehr als eine goldene Schnupftabaksdose geschenkt. Mit dem Wappendes Königs drauf.» Diesmal imitierte sie das Geräusch entweichenden Gases durch ihre geschürzten Lippen. Komisch war es aber nicht gemeint.
Sie rieb Kalk auf die Queuespitze, um sie griffiger zu machen. Sie konzentrierte sich auf den Tisch und saugte dabei schweigend an ihrer Oberlippe.
Die lockere Stimmung war verflogen. Ich wagte eine Frage. «Sah Wolfgang keine andere Möglichkeit, von der Reise zu profitieren?»
Constanze verfehlte ihren Stoß und fluchte leise.
Ich beugte mich über den Tisch und spielte. Meine Kugel berührte die rote und rollte ziellos aus der Bahn. Sie touchierte ganz leicht Constanzes Kugel und blieb dann liegen.
«Ein Glücksstoß», sagte ich.
Constanze ließ den Kopf sinken. «Ich hatte eine andere Frau im Verdacht.»
Ich stemmte das Ende des
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