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Mozarts letzte Arie

Mozarts letzte Arie

Titel: Mozarts letzte Arie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Beynon Rees
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Spionage einen Mann so tief in Täuschung stürzen kann, dass er den ursprünglichen Anlass, der ihn auf seine betrügerische Bahn brachte, vergisst.
    «Der König von Preußen befolgt die gleichen freimaurerischenPrinzipien wie unsere Loge», sagt er. «Er ist Mitglied des Rosenkreuzerordens.»
    «Dann galt Ihre Reise also einem Besuch unter Brüdern?»
    «Dem König ging es um mehr als Mitgliedschaft. Er wollte eine eigene Loge in Wien. Geheim und unbehelligt von den Restriktionen der Polizei von Graf Pergen.»
    «Zu welchem Zweck?»
    Lichnowsky schlug mit der Hand auf den Tisch. «Sie sollten wirklich …»
    «Zu welchem Zweck?» Ich sprach leise und scharf durch zusammengepresste Zähne.
    «Der König von Preußen interessiert sich gar nicht für unsere freimaurerischen Prinzipien. Ihm geht es um Beziehungen.»
    «Spione?» Meine Finger spielten auf meinem Rock ein Arpeggio. Ich versteckte sie unter dem Tisch, setzte aber meine lautlose Übung fort, um mich besser konzentrieren zu können.
    «Spitzel. Aus den höchsten Kreisen der Wiener Gesellschaft», sagte Lichnowsky. «Unter preußischer Kontrolle.»
    «Sie reisten nach Berlin, um Befehle vom König zu erhalten. Sie sollten nach Wien zurückkehren, um dort diese hochgestellten Spione zu rekrutieren. War das Ihr Plan?»
    Der Prinz sprach lauter. «Nein, nein.» Stadler bewegte sich hinter seiner Zeitung. Lichnowsky nahm sich zusammen. «Ich reiste hin, um dem König abzuraten, um ihn zu bitten, seinen Plan nicht auszuführen.»
    «Ach, wirklich?» Mein Sarkasmus überraschte mich ebenso sehr, wie er den Prinzen beleidigte.
    «Wenn unser Kaiser erführe, dass in seiner Hauptstadt eine preußische Loge gegründet worden wäre, würde das hier jeden einzelnen Freimaurer gefährden. Der Kaiser ist uns gegenüber bereits misstrauisch. Wenn er uns mit seinem größtenFeind in Verbindung brächte – wer weiß, wie man uns dann strafen würde.»
    «Aber der König von Preußen hat sich geweigert, seinen Plan aufzugeben?»
    «Keineswegs. Als ich meine Sache vorbrachte, stimmte der König zu, dass sein Plan seine – seine Freunde in Wien gefährden würde. Aber Wolfgang hat alles verdorben.»
    «Wolfgang?»
    «Nachdem er in Berlin vor dem König gespielt hatte, schlug er vor, eine Freimaureroper zu schreiben.»
    «Die Zauberflöte.
»
    «Ihr Bruder suchte lediglich nach Geldgebern für seine Produktion. Er redete so überzeugend, dass der König sich erneut dazu entschloss, sich in Wien zu engagieren, und zwar im Kreis von uns Freimaurern. Es war Wolfgangs Schuld, dass diese Sache so schiefging.» Auf der Oberlippe des Prinzen standen Schweißperlen.
    «Aber es gibt doch gar keine preußische Loge?», sagte ich.
    «Nein, es gibt keine.»
    «Worin besteht dann weiterhin die Gefahr? Warum ist Gieseke tot?»
    «Es gibt mächtige Leute, die viel zu verlieren haben. Große Staatsmänner, Wolfgangs Freimaurerbrüder, deren Stellungen gefährdet wären, wenn sie in den Verdacht gerieten, Beziehungen zu Preußen zu pflegen. Der Graf Küfstein, der Kanzler bei Hofe. Graf Thun, mein Schwiegervater, und viele andere. Ich glaube, dass jemand die Geschichte der
Grotte
aufdecken will, damit diese ehrenwerten Männer ihre Stellungen verlieren. Österreich würde destabilisiert werden. Unser Staat wäre einem preußischen Angriff gegenüber verwundbar.»
    «Krieg? Vielleicht war das die Absicht des Königs. Nicht eine Spionagetruppe zu installieren, sondern Zwietracht inder Hofburg zu säen. Unsere Regierung zu schwächen und angreifbar zu machen.»
    «Sie könnten recht haben.»
    «Aber Wolfgangs Absichten waren doch ganz gewiss simpler? Er wollte Frauen den Zutritt zu den Freimaurern verschaffen.» Lichnowsky trank einen Schluck Kaffee. «Diese törichte Idee.»
    «Wieso töricht?»
    Er sah mich an, als fiele ihm erst jetzt auf, dass ich eine Frau war und dass diese Tatsache mich lächerlich machte. «Sie ist völlig absurd.»
    «Und trotzdem schrieb er aus diesem Grund
Die Zauberflöte.
Und sie ist nicht absurd. Sie ist die schönste seiner Schöpfungen.»
    «Die Musik vielleicht. Die Ideen sind albern.» Er nahm einen großen Schluck Kaffee und ließ seine Zigarre ausgehen. «Ich vermute, diese Idee, Frauen in die Bruderschaft aufzunehmen, bedeutete ihm viel. Er verbreitete sie auch in Berlin. Vielleicht stimmte der König zu, weil er Frauen mächtiger Männer in seiner Loge lancieren wollte. Sie hätten ihn vielleicht mit Kenntnissen und Neuigkeiten ihrer Ehemänner versorgen

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