Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell
können?«
Eine Art Antwort: Eine Pfote kam näher, bedauernd.
»Du hast nicht einmal versucht, ihn davon abzuhalten?«
»Esther.« Sein Ton war ernst. »Das kann ich nicht.«
»Du meinst, du willst nicht.«
»Ich meine, ich kann nicht. Esther, du musst begreifen, was ich bin.«
Doch, sie wisse, was er sei, behauptete sie. Nein, sie wisse es nicht, widersprach er. Ich will es dir erklären, Esther.
»Ich bin nur die Schmierung in der Führung«, sagte er. »Ein kleiner Kabelknick.«
Was das heißen solle? Seine Antwort war kompliziert und ausweichend. Sie war unbrauchbar. Er tat ganz bescheiden. »Nicht von ungefähr bin ich ein Hund und habe die Triebe eines Hundes. Hätte ich dem Zwang widerstehen und Michael lassen können, dann hätte ich im Gras gelegen wie ein Hutaffe und nach Läusen gesucht.« Angetan von dem Bild, ließ Black Pat seiner dichterischen Phantasie freien Lauf. »Ich hätte mich friedlich gelaust und mich getrollt wie eine harmlose Meckergeiß mit einer Bimmel am Halsband.« Er gab ein grimmiges Knurren von sich. »Aber ich bin nicht harmlos und freundlich. Ich bin ein Hund mit dem Hunger eines Hundes, und ich bin davon getrieben.«
Er wollte unbedingt, dass sie verstand: Hör zu, Esther, dieser Zwang, diese Getriebenheit ist entsetzlich stark, eine maßlose, ungeheure Gier. Und sie ist nur einer von zahllosen Fleischfressertrieben, und alle diese Triebe werden in ein weißglühendes Herz geleitet, das in seinem zerstörenden Brennen Rauch und Magnesium ausströmt.
Esther hörte zu. Sie zog an einem losen Faden ihres Oberteils. Sie lauschte Black Pat, unterbrach seine Erklärung nicht. »Du siehst also«, schloss er, »ich habe keine Wahl.«
Ob Michael eine Wahl gelassen worden sei? Nein. Da gebe es nichts zu wählen. Black Pat sprach von dem abgehängten Foto. Sieh es dir an, Esther. Sieh es dir noch einmal an, nimm es vom Nagel und betrachte es gründlich.
Vom Bett wie der Blitz und in die Kammer und sich das Foto gegriffen. Ihr Hochzeitstag, Esthers und Michaels. Sie betrachtete forschend die bekannten Motive: die Hochzeitsgäste, ihren eigenen lachend zurückgeworfenen Kopf, Michaels Lächeln, nach jemandem umgedreht. Konfetti. Die offene Wagentür mit der Flasche Champagner auf dem Sitz. Hinter ihnen die Kirche. Steinplatten und Rosensträucher; Grabsteine auf dem Friedhof. Esther betrachtete suchend das Foto. Alles wie gehabt. Sie suchte weiter. Dann hatte sie’s.
Die Wagentür stand offen, und im Fenster spiegelte sich die Kirche. Applaudierende Hochzeitsgäste, klatschende Hände in Handschuhen, ein Baby mit weißem Mützchen. Aber dort hinter ihnen im Autofenster, mitgespiegelt auf den Kirchenstufen. Inmitten der flatternden Kleider und engen Mieder, die den Blick auf sich zogen, eine Gestalt. Kaum zu erkennen, nur eine kleine Unregelmäßigkeit in der Spiegelung.
Seine Ohren erhoben zum lässigen Gruß, zwei schwarze Spitzen. Vage auszumachen die Wölbung seiner bulligen Schultern. Das Gesicht unkenntlich, zu klein im spiegelnden Fenster. Der Winkel des Kopfes verriet seine innere Haltung: Der rechtmäßige Besitzer beobachtet Michael, entspannt und gierig zugleich. Zu diesem Anlass hielt sich Black Pat als Beobachter abseits: Du kannst gehen, Michael. Aber du kommst zurück. Du machst dich davon, doch das dauert nicht lange. Du wirst zurückkommen, weil ich dich zurückholen werde.
»Ich kannte ihn schon lange, bevor du ihn kanntest. Gegen Ende hängte er das Foto ab, weil er nicht mehr daran erinnert werden wollte. Es wurde schlimmer.« Black Pat war ihr in die Kammer gefolgt. Schuldbewusst schmollend sah er sich nach einer Ablenkung um. Er biss in die wohlbekannte Ecke des Schreibtischs.
EstherschobseinenKopfvomSchreibtisch.»WarumhatmirMichaelnieetwasvondirerzählt?«
Black Pat stand auf der abgewetzten Stelle des Teppichs neben dem Schreibtisch. »Warum hast du nie jemand von mir erzählt?«
Sie setzte sich auf die Schreibtischkante und rang um eine Antwort. »Wie denn?« Die Frage war ernst gemeint. »Wie könnte ich jemand von dir erzählen? Wenn ich es mir selbst erzähle, klingt es schon unmöglich, und dabei sitzt du mir direkt gegenüber.« Verlegen fügte sie hinzu: »Ich dachte daran, es Corkbowl zu erzählen, und dann wurde mir klar, dass er mir gar nicht glauben könnte, selbst wenn er wollte, nicht wahr? Es ist einfach absurd.«
»Absurd, ja«, sagte Black Pat, »vollkommen absurd!« Er hatte sich am Boden niedergelassen.
Esther stellte sich Michael
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