Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

lassen.«
    Während die Journalisten sich das notierten, waren sie sich ihres tierischen Körpers nur allzu bewusst. Ein paar guckten auf die Uhr und träumten vom Pub. Der blonde Journalist würde diese Frage mit Sicherheit nie wieder stellen.
    Black Pat, der die Atmosphäre genoss, klappte mit einem leisen Bellen das Maul zu. Churchill zerknüllte ein Stück Papier in der Faust. Er rang sich ein Lächeln ab. Die Journalistenschar sah wieder zu ihm empor, auf das Schlimmste gefasst.
    »Ach, was sind wir doch für armselige Tröpfe! Verzeihen Sie mir. Ich hatte nicht vor, mich derart in meiner seelischen Bedürftigkeit zu suhlen. Wie dem auch sei«, er ließ seinen Blick über die Jahrzehnte jüngeren Männer schweifen, »das braucht Sie nicht groß zu kümmern, Sie sind ja alle noch Küken.« Diesmal kam Churchills Lächeln spontan. »Nur Mut, meine wackeren Küken.«
    Auf Churchills veränderten Ton hin ging Black Pats Schwanz in die Höhe, um bei der nächsten Bemerkung wieder zu sinken.
    »Und sollten Sie sich an diese Furcht erinnern, dann erinnern Sie sich auch an die Tapferkeit«, sagte Churchill. »Trotzen Sie der Furcht mit Tapferkeit.«
    Trotzen Sie der Furcht , schrieben die Journalisten, manche mit Fragezeichen dahinter.
    »Denn«, trug Churchill den lauschenden Gesichtern und dem sie überragenden Hundegesicht weiter vor, die Augen jetzt fest auf dieses Hundegesicht gerichtet, »Sie können nie ganz verhindern, dass diese Furcht Sie wütend ankläfft und Ihnen noch an den Grabstein pinkelt, aber Sie können es verdammt noch mal versuchen.«
    Ein langes beklommenes Schweigen. Eine Hand ging hoch. Niemand sah sie gern, denn alle sehnten sich nach dem erlösenden Pub.
    »Ja, Ihre Frage bitte«, sagte Langford-Holt.
    »Sir Winston.« Der Journalist räusperte sich. »Im Jahre 1929 haben Sie einen einhundertundsiebzig Pfund schweren Marlin gefangen.« Er blickte auf einen Zettel und stellte die groteske Frage: »Haben Sie irgendwelche Angeltipps für die Leser?«
    Gedämpftes sarkastisches Gelächter. Spötter in der Nähe des verunsicherten Journalisten machten Trompetentöne.
    Langford-Holt bedachte ihn mit einem scharfen Blick. »Vertreten Sie ein anerkanntes Blatt?«
    Der Journalist zog die Schultern hoch. »Ich schreibe nebenbei noch für eine Anglerzeitschrift. Ich dachte, ich könnte vielleicht … «
    Churchill schaltete sich ein. »Ausgezeichnete Frage. Ja, tun wir in Gottes Namen etwas, um die Stimmung ein bisschen zu heben.« Er grinste breit, als er Black Pat ärgerlich schnauben sah. Wie ein angeödeter Teenager machte der Hund mit der Vorderpfote eine wegwerfende Bewegung. Es war die missmutige Geste eines Mannes, der seinen Wettschein zu Boden schleudert, als das Pferd, auf das er gesetzt hat, im Begriff ist, zu verlieren.
    Churchill sagte: »Wenn Ihre Leser mehr fangen wollen als eine Forelle, möchte ich Ihnen ganz besonders die herrlichen Gewässer Kaliforniens ans Herz legen.«
    Erleichterung machte sich im Saal breit, selbst Langford-Holt entspannte sich auf seinem Stuhl. Das Gespenst der Sterblichkeit verlor seinen Schrecken und wich einem unerwarteten Interesse am Angelsport.
    »Und was diejenigen betrifft, die wild darauf sind, einen von Neptuns Giganten zur Strecke zu bringen, denen rate ich dringend, dass sie sich auf einen Kampf gefasst machen«, fuhr Churchill fort. Der triumphale Glückstag damals vor der Küste Kaliforniens stand ihm deutlich vor Augen. »Es war eine dramatische Erfahrung, mit diesem Marlin zu ringen. Wir würden zusammenkommen, so viel stand fest, der Marlin und ich. Die Frage war, auf wessen Terrain. Ich wollte ihn ins Boot ziehen, er wollte mich ins Wasser ziehen, und er kämpfte wie ein Taifun. Schließlich zog ich ihn zu mir heran, auch wenn er noch so wütete und sich mit dem Kopf gegen die Leine warf. Mehr als einmal wäre es ihm fast gelungen, mich vom Bug zu schleudern. Ho!« Churchill schlug vergnügt mit der Faust auf den Tisch. »Ich wäre hinter ihm hergeschossen wie eine Rakete.«

32
    18 Uhr 30
    D as Licht malte Tennisshorts an die Schlafzimmerwand. Eine auf den Boden gefallene Bluse hatte die bescheidene Schönheit einer malerisch gefalteten Restaurantserviette angenommen. Auf der Fensterbank stand eine kleine welkende Pflanze. Der Zauber des Abendlichts ließ sie prachtvoll und exotisch erscheinen.
    Ins Leere blickend, war Esther blind für diese Dinge. Sie lag auf dem Bett, auf ihrer Seite der Doppelmatratze. Eine Hand erkundete die andere Seite