Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell
der Eindringling die Ballen seiner Pfoten hingebungsvoll einer gründlichen Reinigung unterzog.
»Du störst mich beim Schreiben, ich hoffe, das ist dir klar«, sagte Clementine.
Verblüffte Stille. Dann versuchsweise ein weiteres Schlecken.
»Und ich möchte, dass du sofort von meinem Bett heruntergehst«, fuhr sie fort.
Die Zunge verschwand verlegen im Mund.
»Runter vom Bett, bitte sehr!«
»Kannst du mich hören?«, fragte Black Pat betroffen.
»Das ist doch wohl offensichtlich, würde ich meinen.«
»Du kannst mich sehen?«
Clementine hörte auf zu schreiben, drehte sich aber nicht um. Stattdessen hob sie die Augen, um den Hund in dem goldgerahmten antiken Spiegel zu betrachten, der vor ihr über dem Kamin hing. »Das muss für dich eine ziemliche Überraschung sein.«
Die Stille sprach für die durchschlagende Wirkung der Überraschung. Der Hund begegnete ihren Augen im Spiegel. »Hast du mich schon immer sehen können?«
»In gewisser Weise ja. Würdest du dich jetzt bitte von meinem Bett bequemen? Ich möchte dich nicht noch einmal auffordern müssen.«
Black Pat ließ sich von der Matratze plumpsen, die Klauen in die Seide gehakt, so dass kleine Risse zurückblieben. »Du hast bisher noch nie mit mir geredet.«
Jetzt drehte sich Clementine um, um das Tier ihre Entschlossenheit spüren zu lassen. »Es ist eine komplizierte Situation. Aber dein derzeitiges Erscheinen ist etwas Besonderes, deshalb wünsche ich eine Unterredung.«
Black Pat setzte eine Miene gezierten Erstaunens auf. »Du möchtest gern plaudern?«
Clementine schnaubte indigniert. »Nein, ich möchte gewiss nicht plaudern. Ich erkläre einen vorübergehenden Waffenstillstand, weil ich über die Bedingungen des momentanen Angriffs auf meinen Gatten diskutieren möchte.«
»Gut«, sagte Black Pat zahm. »Soll ich kommen und mich zu dir setzen?«
»Gott, nein«, versetzte Clementine. »Bleib, wo du bist.« Sie überlegte es sich. »Na schön, dann komm eben her.«
Ein Frisiertisch aus den Zwanzigern mit einer hellen plissierten Seidendecke stand vor einem langen Fenster an der rechten Seite des Zimmers. Vor dem Spiegel auf dem Frisiertisch ein weißes sechsbeiniges Sitzbänkchen. Black Pat zog das Bänkchen an den Mahagonischreibtisch und setzte sich Clementine gegenüber. Diese lehnte sich auf ihrem Regencystuhl zurück, teils um dem Hund ihre volle Aufmerksamkeit zu widmen, teils um seine ungeheure Statur aus dieser Nähe ganz in den Blick nehmen zu können. Mit seiner Zottelmähne um den Hals sah Black Pat ausgesprochen wild aus. Er versuchte, eine Vorderpfote locker auf den Schreibtisch zu legen, und stieß dabei die Schachtel mit Bleistiften um, so dass diese in hohem Bogen auf dem Boden landeten. Mit dem Hinterbein rumste Black Pat an die Unterseite des Tisches, als er Anstalten machte, die Bleistifte aufzuheben. Er fuhr zurück und kam dabei an den Kupferteller, der als Briefbehältnis diente. Der Teller flog in die Höhe und schlug mit einem gedämpften Gongton auf dem Teppich auf.
»Lass gut sein!«, rief Clementine, als er sich nach dem Teller bückte. »Ich hebe ihn gleich selbst auf!« Black Pat warf dem Kupferteller noch einen verstohlenen Blick zu. Eine Hinterpfote stahl sich heimlich über den Boden zu einem hinuntergefallenen Bleistift, erspürte ihn mit den Zehen und versuchte, ihn zurückzurollen. Unter dem Gewicht zerbrach der Stift in drei Teile, und der Fuß trat Graphitsplitter in den cremefarbenen Teppich.
»Da warst du mir auf dem Bett fast noch lieber«, sagte Clementine.
Black Pat gestand ehrlich: »Ich habe wirklich nie etwas davon gemerkt, dass du mich wahrgenommen hast. In all den Jahren habe ich nicht ein einziges Mal Verdacht geschöpft.«
»Das war ein ziemliches Stück Arbeit, das kann ich dir sagen«, gab Clementine scharf zurück.
»Und worüber möchtest du dich jetzt unterhalten?«
»Ich möchte, dass du diesem Haus den Rücken kehrst und Winston loslässt. Ich habe dich noch nie um etwas gebeten, aber darum bitte ich dich jetzt, nur dieses eine Mal.«
»Das kann ich nicht.«
»Du musst.«
»Es liegt nicht in meiner Macht.« Black Pat schlug einen respektvollen Ton an. In den Jahrzehnten seiner Parallelexistenz neben ihr war in ihm eine gewisse Verehrung ihrer Talente als Gegenspielerin gewachsen. Und obwohl Clementine inzwischen recht alt war, schüchterte sie ihn ein.
»Weißt du, was meinem Gatten morgen bevorsteht?« Clementines
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