Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell
und fand nur Verlust. Die Hand fuhr hoch, erschreckt von etwas Abstoßendem. Einem Haarbüschel. Auf dem Bett, auf allem lagen lange schwarze Haare, ein Geruch hing im Zimmer. Black Pat war hier drin gewesen? Aber er war überall gewesen. Lass gut sein, es gab anderes zu bedenken. Das Bett ließ ein ärgerliches Kreischen hören. Das war neu. Er hatte also auf ihrem Bett herumgetobt und die Sprungfedern beschädigt. Sie brachte die Energie zu einem resignierten Stöhnen auf.
Selbstmitleid überkam sie. Einen Augenblick lang suhlte sie sich darin. Dann setzte sie sich rasch auf.
»Jemand da?« Das war Black Pats Stimme im Erdgeschoss. Pfoten patschten die Stufen hoch. Schnüffelgeräusche am Treppenkopf und eifriger an den Kanten der halb geöffneten Schlafzimmertür, dann die glänzende Knolle seiner Nase vor dem Wandanstrich. »Esther?«
»Ich lese.«
Dies war die scharfe und deutliche Aufforderung, sie in Ruhe zu lassen. Black Pat stieß die Tür ganz auf und kam hereingebrettert wie eine Kugel, die auf der Kegelbahn alle Neune abräumen will.
»Hallo«, sagte er kühl und betrachtete das Bild, das sich ihm auf dem Bett bot. »So, du hast also gelesen?«
Ein altes, aber ungelesenes Exemplar von Moby Dick lag friedlich neben ihrem Knie, darauf eine Schale mit vergammelndem Obstsalat. Eine Tafel Schokolade war nicht ganz aufgegessen. Black Pats Augen schwenkten zu dem Buch, verweilten dort eine Weile geringschätzig und wanderten zu Esther zurück.
»Fesselnde Lektüre, wie es aussieht.«
»Es ist ausgesprochen brillant. Das steht wenigstens auf dem Umschlag.« Esther brach mit den Zähnen ein Stück von der Schokolade ab.
Black Pat ging um den Fuß des Bettes herum, am Kleiderschrank vorbei und blieb dann vor dem Fenster stehen.
»Aber ich wollte gerade anfangen zu lesen«, sagte Esther. Sie schlug aufs Geratewohl das Buch auf. »Trinkt aus, ihr Harpuniere! Trinkt und schwört … « Sie las das laut zum Beweis, wie sehr sie der Text gefangennahm. »Also wenn es dir nichts ausmacht, hätte ich jetzt gern meine Ruhe.«
Rücksichtslos legte Black Pat die Vorderpfoten auf die Bettdecke und wartete auf ihren Protest. Sie aß nur weiter Schokolade und tat so, als würde sie lesen. Mehr machte sie nicht, und er nahm es als Einverständniserklärung.
Die Hinterbeine beugten sich zum Sprung, stießen sich ab. Wütend kreischten die Sprungfedern, als Black Pat mit seinem ganzen Gewicht auf dem Bett landete.
»He!«, schrie Esther auf. Er drehte sich neben ihr im Kreis und trat tiefe Furchen in die Matratze. » Black Pat! «, schrie sie abermals, aber er beachtete sie gar nicht, so sehr war er damit beschäftigt, seinem Hundeinstinkt zu gehorchen und dabei näselnd vor sich hinzusummen wie jemand bei der Hausarbeit. Seine Pfoten verfingen sich in der Steppdecke und zogen sie zu einem Klumpen zusammen. Er grub mit den Klauen in dem Klumpen, und man hörte den Stoff reißen. Das ganze malträtierte Bett wackelte bedenklich, als er sich mit einem tiefen animalischen Knurren des Wohlbehagens – »Mrrrt« – darauffallen ließ.
Esther versuchte, ihn hinunterzuschieben, und im Gegenzug wälzte er sich ihr auf die Arme. Sie rettete rasch ihre Arme und versetzte ihm mit dem großen Zeh einen Tritt. Der Zeh zuckte zurück, als sein Maul spielerisch danach schnappte.
Black Pat hob den Kopf. »Deine Seite ist viel gemütlicher.« Sie blickte auf ein grinsendes Profil. »Was hat die Farben der vier Körpersäfte, gräulich und braun, außerdem orange und dunkelrot?«
»Keine Ahnung.« Esther wartete. »Was denn?«
Black Pat wedelte lässig mit der Pfote in die Richtung ihrer Knie.
Esther suchte nach der Antwort und konnte sie nicht finden. »Was denn?«, wiederholte sie. »Was ist deine dämliche Pointe?«
»Das ist die Pointe. Der Obstsalat da.« Die Pfote deutete schlenkernd auf Esthers Schale. »Er stinkt.«
Lachhaft. Esther ignorierte ihn und aß die Schokolade auf. Black Pat beobachtete sie, während sein Magen Geräusche machte, die sich nach blubberndem Morast anhörten. Ungerührt saß sie im Schneidersitz in ihrer kleinen Ecke des Bettes. Black Pat ahndete ihre Selbstsucht, indem er sich über die Teilung der Matratze hinwegsetzte. Rüde drängelte er sich auf ihre Seite. Ihre Muskeln reagierten empört auf den Druck seines Körpers. Aber sie dachte gar nicht daran, sich aus ihrem eigenen Zimmer scheuchen zu lassen! Alle Versuche, ihn zurückzudrängen, steigerten nur seine Begeisterung an dem Spiel. Die
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