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Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Titel: Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hunt
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vor, hier drin mit diesem Hund eingesperrt, schon mit ihm eingesperrt, als sie sich kennenlernten. »Und mich willst du auch einsperren.« Sie entsann sich des Tages, an dem er eingezogen war, ihrer Leichtgläubigkeit. »Das ist eine Falle.«
    »Nein, es ist eine gegenseitige Anziehung. Es geht nicht von mir aus«, sagte Black Pat hinter dem Schreibtisch hervor. »Der Magnet, der mich hier festhält, ist derselbe Magnet, der mich hergebracht hat. Ein und dieselbe Umlaufbahn schließt uns zusammen, und ich gehöre ganz dir. Esther, ich gehöre ganz dir.« Hoffnungsvoll: »Kannst du mich denn nicht mal ein bisschen leiden?«
    »Ich … « Esther brach fast zusammen unter dem Gewicht der Verachtung. Sie verabscheute sich selbst, weil sie ihre Antwort verabscheute. »Ich glaube schon. Ich glaube, ich habe im Grunde keine Wahl.«
    Seine Antwort entsprach in gewisser Weise der Wahrheit. »Nein, hast du nicht. Zwischen uns besteht eine Anziehung, und sie fesselt uns aneinander.« Doch er wollte sie milde stimmen. »Ganz nett, diese Fessel.« Er wünschte sich sehr, dass sie sich milde stimmen ließ, sich damit abfand.
    Esthers Finger verknoteten sich. Ihre Antwort war, nicht zu antworten. Aber nicht mit der stillen Ergebenheit, die er sich gewünscht hatte, denn darunter glomm noch ein Fünkchen Trotz.
    Black Pats Gesicht hob sich über die Schreibtischkante, aber nur die Hälfte des großen gewölbten Schädels, vorsichtig lugend. Weinte sie? So wie sie sich mit dem Ärmel über die Wangen wischte, ja.
    Und dann ergriff ihn die Reue wie eine Krankheit. Esther weinen zu sehen vertrieb seine übliche Spottlust. Die Gewissensbisse kamen, die ihn sporadisch heimsuchten. Er haderte mit der peinlichen Anwandlung. Die Sentimentalität war geweckt, und sie machte ein Mäuschen aus ihm.
    Eine Weile ging schweigend dahin.
    Schwärmerisch sagte Black Pat zu ihr: »Eine der glücklichen Seelen wohl, die’s Salz der Erde sind, und gingen sie ab, röche die Welt wie was sie ist – ein Grab.«
    Esthers Stimme war belegt. »Meinst du Michael damit?«
    Black Pat riss sich am Riemen. Wo war seine professionelle Einstellung geblieben? Er ärgerte sich, dass er so weich war und sich hier zum Deppen machte.
    »Ich meine mich.« Kein Gedanke. »Nein, ich meine dich damit.« Aussichtslos, es hatte ihn immer noch im Griff. Von Mitgefühl gebeutelt, versuchte er sich deutlicher zu fassen. »Was ich bereuen kann, bereue ich. Und dich werd ich bereuen, Esther.«
    Ihr Ärmel wischte über die Wange, dann übers Kinn. »Von wem ist das?«
    Er nickte gewichtig. »Das ist von mir.« Trotz ihres offen ironischen Blicks ließ er sich ein paar Sekunden Zeit, die Unterlippe vorzuschieben und sich einen Fussel von der Nase zu blasen. Er räumte ein: »Oder vielleicht von Shelley.«

Sonntag, 26. Juli 1964

33
    10 Uhr 05
    C lementine hatte eine elegante, geschwungene Handschrift, die über die Seite floss. Sie schrieb an dem Mahagonischreibtisch, der mitten in ihrem Schlafzimmer stand, einen Brief an Randolph; eine friedliche Gestalt in einer braungrauen Bluse. Ein Foto von Marigold war auf die Tischecke platziert. Das weiße Figürchen der mütterlichen Göttin Kwan Yin stand auf einem niedrigen Regal über einem Heizstrahler. Vom Kaminsims tickte eine Louis- XVI -Uhr herüber, die einst Clementines Mutter gehört hatte, und maß mit ihrem sternförmigen Pendel die Zeit.
    Außer diesem Ticken und dem Kratzen der Feder, die Clementine in raschen, unregelmäßigen Schüben über das Papier zog, war es still im Raum.
    Neben einer Schachtel mit italienischen Bleistiften und einem chinesischen Tintenfass stand ein gläserner Briefbeschwerer in Gestalt einer Birne auf dem Schreibtisch. Eine winzige Spiegelung in der Birne verriet, dass sich hinter Clementine etwas bewegte und ins Zimmer trat. Ihre Augen richteten sich auf die Spiegelung und behielten sie im Blick, aber sie drehte sich nicht um. Ihre schreibende Hand verlangsamte sich minimal.
    Es gab ein kühles Rascheln, als sich ein schwerfälliges Bein auf die lachsrote Moiréseidendecke ihres Himmelbetts legte, dann ein zweites. Clementines Augenbrauen zuckten, als sie im Spiegelbild sah, wie der Eindringling mit den Hinterbeinen aufs Bett sprang, sich mehrmals umdrehte und die Seide zertrampelte, wobei er mit dem Rücken und den hochgezogenen Schultern den Stoffhimmel des Bettes streifte. Dann ließ er sich mit seiner ganzen Leibesmasse auf die Matratze kippen. Rhythmische Schleckgeräusche begannen, als

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