Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell

Titel: Mr. Chartwell - Hunt, R: Mr. Chartwell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Hunt
Vom Netzwerk:
zerknüllten Bogen auf Churchills Teppich zu werfen! Esther schmunzelte bei dem Gedanken, wie Dennis-John purpurrot anlaufen würde. Sie stellte sich diesen purpurroten Dennis-John vor, während das Papier zum Ball wurde. Schwupps, lag es auf dem Boden. Der nächste Bogen wurde eingespannt, der Papierlösehebel arretiert. Die Stimmung zwischen Churchill und Esther erwärmte sich etwas nach der anfänglichen Distanziertheit zweier Fremder. Sie wurden zwei unenthusiastische und melancholische Verbündete, zusammengeschweißt durch die Pflicht, einen Auftrag zu erledigen. Churchill atmete ein, atmete aus, atmete wieder ein, fing von vorne an. Die Psalmodie seiner Worte tönte zu den Dachbalken hinauf. Es war eine Rede des Mitgefühls für sein Land, ein Abschied von seinem Politikerleben.
    Vorgebeugt jagte Esther die Buchstaben auf das Farbband. Sie gerieten beide in einen konzentrierten Rhythmus. Und dann geschah es.
    Schritte. Schlendernde Schritte. Esther wagte einen Blick zur Tür. Der typische Gestank drang herein. Ihre Augen huschten betroffen zu Churchill. Was tun? Esther beobachtete, wie Churchill sich verhielt. Seine Brauen waren zu mürrischen Haken hochgezogen. Die Intensität ihres Blicks erregte seine Aufmerksamkeit, und er entspannte seine Stirn ein wenig und wandte sich wieder seinem Diktat zu in dem Glauben, sie warte darauf, dass er weitermachte.
    »Seien wir keine Waschlappen.« Ein graues Lächeln von Churchill. »Wir sollten zusehen, dass wir diese verdammte Geschichte hinter uns bringen.« Und sie arbeiteten weiter.
    O weh, die Tür ging auf. Da kam er herein, Black Pat, das Scheusal. Er kam im pantomimischen Schleichgang, darauf bedacht, die Kinder nicht zu wecken, dieser Weihnachtsmann aus der Unterwelt. Und mit zittriger Stimme, der Stimme einer ganz alten Frau, sang er »Tiptoe Through the Tulips«.
    Esther versuchte, sich auf Churchills Worte zu konzentrieren. Es war zwecklos. Black Pat stelzte theatralisch durchs Zimmer und plumpste dann wie ein Sack zwischen sie. Ein Grinsen zuckte um seine Lippen.
    Churchill bemerkte die Richtung von Esthers Blick. Nein. Nein, sie konnte ihn nicht sehen. Ruhig Blut, sagte er sich. Sei vernünftig, bei Jehova.
    Esther gab sich normal, aber sie war eine miserable Schauspielerin. In der Rolle der lächelnden Sekretärin lächelte sie Churchill an und ging die Möglichkeiten durch. Es gab nur schlechte Möglichkeiten. Churchill konnte Black Pat sehen, das wusste sie, hundertprozentig. Aber was war mit ihr? Esther wollte herausschreien, dass sie ihn ebenfalls sah, sich offenbaren. Sie wollte Churchills Hand umklammern und ihm sagen, dass sie Bescheid wusste, sich in seinen Ärmel krallen und ihm alles gestehen.
    Stattdessen tat sie nichts. Der Anstand gebot, nichts zu tun, denn den Hund anzusprechen, wäre ein Eindringen in eine geschützte Privatsphäre, ein Fleddern verborgener Leichen gewesen. Es wäre Grabschändung gewesen. Es war das Genie des Hundes, alle Hoffnung und Brüderlichkeit abzuschneiden, und so war sie mit Churchill in ihrer beider Isolation verbunden.
    Esther spielte die Ahnungslose. Umständlich tupfte sie mit dem verkrusteten Pinselchen die Korrekturflüssigkeit auf. Sie sagte sich nachdrücklich, dass kein schwarzer Hund im Zimmer war, dass kein schwarzes Tier den zusammengeknüllten Bogen entdeckt hatte und damit spielte, keine große Nase einen glitschigen Papierball stupste.
    Auf der Seite liegend, drosch Black Pat den Ball durch den Raum. Er sprang hinterher und robbte mit dem Bauch über den Teppich, die Klauen tief hineingetrieben. Hatte er das Papier geschnappt, war der Lohn, es zu fressen. Unter ekelhaften Geräuschen zerkaute er den Ball glücklich zu einem Faserflatsch. Esther schärfte sich ein, keinerlei Notiz davon zu nehmen.
    Churchill bewegte langsam einen Brillenbügel im Scharnier und überlegte. Er verstand es perfekt, seine Wahrnehmung des Hundes zu verbergen und mit der Selbstdisziplin eines Samurais zu leiden. Aber diese Esther Hammerhans war nicht so erfahren. Die anklagenden Blicke, die sie dem Hund zuwarf, das unwillkürliche Zucken der Hände, sie sprachen Bände. Das nächste Indiz: die Grabesmiene, die Esther aufsetzte, als das dreckige Mistvieh, von einem faszinierenden Geruch angezogen, ihren Schuh ableckte. Ein weiteres Indiz war ihr ärgerliches Schnauben, als das Biest sie mit seinem großen Kopf stupste.
    Unmöglich. Oder war es doch möglich? Nein, es ließ sich nicht an Äußerlichkeiten festmachen.

Weitere Kostenlose Bücher