Mr. Fire und ich (Band 8)
vorbeikommen.“
Ich bin bitter enttäuscht. Daniel geleitet mich freundlich in Richtung Ausgang.
„Warte in der Cafeteria auf mich. In einer Minute bin ich bei dir.“
Ich sehe, wie er sich mit einem gewinnenden Lächeln auf den Lippen mit der Krankenschwester unterhält. Mr. Fire lässt seinen Charme spielen. Lächelnd ziehe ich mich zurück.
In der Cafeteria finde ich vor allem das medizinische Personal vor. Die wenigen anderen Menschen an den Tischen sehen erschöpft aus. Ich beobachte ihren Gesichtsausdruck. Hier sitzt vermutlich ein junger Papa, der gekommen ist, um Frau und Kind zu besuchen. Er lächelt alles und jeden an und hat einen Strauß rote Rosen und einen riesigen Teddybären vor sich. Dort lässt eine müde Frau um die Dreißig ihren Tee kalt werden und kaut an ihren Fingernägeln: Wartet sie auf das Aufwachen eines Angehörigen nach einer schweren Operation? Ein Stück weiter entfernt nickt ein Mann vor seinem Tablett ein: Über ihn habe ich keine Hypothese.
Diese Beobachtungen, die in die Fernsehserie
Emergency Room
passen würden, haben den Vorteil, dass sie mir die Zeit überbrücken.
Zwei Leute betreten die Cafeteria. Ihr Verhalten fällt komplett aus dem Rahmen: Sie lachen lauthals und machen jede Menge Lärm. Ich blicke auf und erstarre.
Agathe und Tom setzen sich an einen Tisch, der vor Blicken geschützt ist. Auch wenn jeder sie gehört hat, legen sie offenbar keinen Wert darauf, gesehen zu werden.
Ich träume! Was hat sie hier verloren? Warum ist Tom nicht an Sarahs Bett?
Ich springe auf, von einer wachsenden Wut gepackt.
„Tom! Wie geht es Sarah?“
Ich versuche nicht einmal, freundlich zu sein.
„Hallo Julia, was für eine Freude, dich zu sehen! Hast du beschlossen, in jedem Restaurant, an dem du vorbeikommst, jemandem eine Szene zu machen?“
Ich entdecke bei Agathe eine gekonnte Mischung aus Daniels kühler Herablassung und Dianes kaltschnäuziger Arroganz. Tom selbst weiß nicht, was er darauf antworten soll.
„Zum Glück haben wir schon gegessen, meine liebe Schwester“, erwidert Daniel, der gerade in die Cafeteria gekommen ist. „Es handelt sich nicht um eine Szene, sondern um eine berechtigte Frage, wegen der wir ja extra zurückgekommen sind. Tom, wie geht es Sarah?“
„Gut … Besser, meine ich. Sie schläft“, stammelt Tom wie ertappt. „Ich will sie nicht wecken.“
„Das ist sehr nobel von dir“, erwidert Daniel kühl.
Und zack! Gute Bemerkung, danke, Daniel.
Agathe sieht ihren Bruder nicht an.
„Julia, Sarah ist aufgewacht. Sie möchte dich sehen“, sagt Daniel.
„Hast du sie gesehen?“, fragen Tom und ich gleichzeitig.
„Mach dir keine Sorgen“, erklärt er mir mit entgegenkommendem Blick. „Die Krankenschwester hat gesagt, dass sie außer Gefahr ist. Sie leidet nur unter ein paar Prellungen und einem gebrochenen Bein.“
Tom scheint es gegen den Strich zu gehen, dass Daniel mir die Informationen gibt, die eigentlich er haben sollte.
War er wirklich mehr damit beschäftigt, mit Agathe zu schäkern, als sich um seine künftige Frau zu bemühen?
Ich bin empört und schockiert. Daniel wirft seiner Schwester einen langen, vorwurfsvollen Blick zu.
„Agathe? Ich bin überrascht, dich hier zu sehen. Was für eine Freude! Es ist schön, dass du wieder Kontakt mit der Außenwelt aufgenommen hast!“
Hatte sie sich jemals wirklich abgeschottet? Ich stelle mir immer mehr Fragen …
„Stimmt, Daniel, das tut gut! Ich habe das Gefühl, aus einem langen Schlaf zu erwachen“, erwidert sie und tut so, als ob sie sich streckt.
Sie zwinkert Tom so zu, dass es auch ja jeder bemerkt. Mein Freund wird vor Verlegenheit rot. Ich schäume vor Wut. Es ist Zeit, dem Ganzen ein Ende zu bereiten.
„Daniel, darf ich dich bitten, Agathe zum Hotel zurückzubegleiten? Ich bin mir sicher, dass es Tom lieber ist, dass die Familie unter sich bleibt“, erkläre ich, wobei ich Agathe eindringlich ansehe. „Die Familie?“, wiederholt Agathe. „Ich wusste nicht, dass Sarah und du …“
„Julia hat recht“, schaltet sich Tom ein. „Ich danke dir für die Zeit, die du dir genommen hast, um mich wieder ein bisschen aufzumuntern, Agathe. Du solltest dich jetzt wirklich ausruhen.“
Sie mustert mich verächtlich.
Wenn Blicke töten könnten, würde ich jetzt umfallen … Was genau war das für ein Treffen, das wir da unterbrochen haben?
„Julia, ruf mich an, wenn du fertig bist“, sagt Daniel zu mir. „Ich begleite Agathe zurück und komme dann wieder,
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