Mr. Hunderttausend Volt!
Liebe. Mein Gott, wir waren so naiv!"
"Und heute?", fragte Jessica, als er schwieg.
"Heute?" Jonas wandte ihr sein Gesicht zu. Das entspannt Verträumte war daraus verschwunden. "Heute bin ich erwachsen und glaube an reale Dinge."
"Welche?" Aufmerksam sah Jessie ihn an.
"Was – welche?" Jonas war verwirrt.
"Welche Dinge sind das?", wurde Jessie konkret. "Woran glaubst du heute?"
"An...an...an Geld zum Beispiel", brachte Jonas stockend heraus, doch nach den nächsten Worten fand er seine alte Selbstsicherheit wieder. "Daran, dass man nur Erfolg und Geld haben kann, wenn man hart dafür arbeitet. Und ich glaube daran, dass das einzig Gerechte in der Welt der Tod ist. Er holt jeden, ob arm oder reich, mächtig oder hilflos, schuldig oder unschuldig."
"Aha..." Jetzt war es Jessica, die seinen Blicken auswich. "Und wo ist Daniels Mutter?" Die Frage war schneller heraus, als sie es beabsichtigt hatte. Aber sie konnte die Worte leider nicht mehr rückgängig machen.
Für einen Moment verdunkelten sich Jonas' Augen.
"Ich weiß es nicht.“ Er schüttelte den Kopf als könnte er immer noch nicht verstehen was damals passiert war. „Ich habe Maxine geliebt, aber auf die Dauer konnte ich sie nicht halten. Das Leben als Ehefrau und Mutter engte sie zu sehr ein." Er unterbrach sich und seufzte leise, als täte es ihm die Trennung heute noch Leid. "Wir waren total verrückt nacheinander. So verliebt, dass wir in den Semesterferien nach Las Vegas gefahren sind und in einem dieser Hochzeitstempel geheiratet haben. Und kurz nach unserer überstürzten Hochzeit hat sich dann auch schon Danny angekündigt. Das ist einfach alles viel zu schnell gegangen."
Jonas beugte sich vor und tauchte die Hand ins Wasser. Sachte bewegte er sie darin hin und her und sah dabei den kleinen Wellen zu, die durch die Bewegung entstanden.
"Es fing schon in der Schwangerschaft an, zwischen uns zu kriseln"", erzählte er weiter, ohne seine Tätigkeit zu unterbrechen. "Aber nach Dannys Geburt wurde es immer schlimmer. Maxine vermisste ihr ungebundenes Leben, der Kleine ging ihr zunehmend auf die Nerven..." Er zog die Hand zurück und sah zu wie das Wasser von seinen Fingern auf seine Hose tropfte. "Na ja, eines Tages war sie weg. Sie hatte Daniel in sein Bettchen gelegt, er brüllte wie am Spieß als ich nach Hause kam. Auf dem Wickeltisch lag ein Zettel. 'Ich brauche meine Freiheit' stand darauf, das war alles."
"Wie alt war Daniel damals?"
"Acht Monate." Jonas schüttelte den Rest des Wassers von seiner Hand und sah Jessica an. "Ich möchte verhindern, dass er dasselbe durchmacht. Deshalb bin ich dagegen, dass er sich jetzt schon an jemanden bindet."
"Eltern wollen ihre Kinder immer beschützen", erwiderte Jessica lächelnd. "Am meisten vor den Fehlern, die sie selbst begangen haben. Aber das funktioniert fast nie. Kinder müssen nun mal ihre eigenen Erfahrungen machen."
"Das soll Daniel ja, aber das muss doch nicht in einer gescheiterten Ehe enden", begehrte Jonas auf. "Ich weiß, was es heißt, ein Kind alleine großzuziehen."
"Ach, Jonas." Jessica sah ihn nachdenklich an. "Du bist verbittert. Ist dir eigentlich bewusst, wie sehr du dein Leben damit vergiftest?"
"Nein!" Er wollte den Kopf schütteln, hielt aber inne. "Ja, wahrscheinlich hast du Recht. Ich bin immer noch verbittert und enttäuscht. Und ich will nicht, dass mir das noch mal passiert."
"Und lässt deswegen niemanden mehr an dich heran und verbeißt alle, die es trotzdem versuchen."
Jonas sah sie erstaunt an, dann blickte er wieder auf den See.
"Ich habe noch nie mit einem Menschen darüber gesprochen", gestand er mit leiser Stimme. "Du bist die Erste. Was machst du bloß mit mir?"
"Ich?" Jessica versuchte ein Lachen, aber es blieb ihr im Halse stecken. Die ganze Situation machte sie konfus. Jonas fragte, was sie mit ihm machte? Jessica hätte genauso gut fragen können, was er mit ihrem Seelenleben anstellte. So verworren und hilflos hatte sie sich noch nie in Gegenwart eines Mannes gefühlt.
"Ich bin einfach nur freundlich zu dir", sagte sie schließlich. "Es macht mir Spaß, mit dir zusammen zu sein...äh...manchmal..."
Jonas beugte sich vor, was das Boot mit einem sanften Schaukeln quittierte und sah sie eindringlich an.
"Sind wir Freunde?", fragte er leise.
Jessica hob die Hand. Einen Moment lang berührten ihre Fingerspitzen Jonas' Wange, strichen zart über die scharfe Linie, die sich von der Nase bis zu seinem Mundwinkel zog. Dann ließ Jessica die Hand
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