Mr. Hunderttausend Volt!
Dann bist du nämlich alt genug und das Küssen ist erst richtig schön, wenn man groß ist."
"Okay." Der Kleine ließ Jonas' Bein los und wirbelte herum. "Tschüß!" Er winkte den beiden zu, dann sauste er davon, so schnell ihn seine kleinen Beine trugen.
Die Worte des Jungen hatten Jonas an den bedeutenden Altersunterschied erinnert, der zwischen Jessica und ihm bestand. Ernüchtert wandte er sich ab und starrte an ihr vorbei auf die Rinde eines uralten Lebensbaumes, dessen gewaltige Krone einen Teil der weiten Rasenfläche beschattete.
"Ich habe mich wohl gehen lassen", murmelte Jonas mit schmalen Lippen. "Verzeih bitte." Langsam wandte er den Kopf, seine dunklen Augen hinter den Brillengläsern ruhten einen Moment nachdenklich auf Jessies Gesicht. Dann flog ein Lächeln über seine Züge.
"Du bist einfach süß", stellte er mit leisem Bedauern in der Stimme fest. "Ob du nun wütend bist oder gute Laune hast, auf mich wirkst du immer ungemein anregend. Ich könnte mich glatt in dich verlieben, wenn du wenigstens zehn Jahre älter wärst."
"Ich bin dreiundzwanzig", erwiderte Jessica. Es klang ein kleines bisschen trotzig. "Tut mir Leid, aber meine Eltern haben sich nicht eher für mich entschlossen."
Jonas sah erneut an ihr vorbei.
"Sag mal ehrlich", sagte er, ohne auf Jessies Bemerkung einzugehen. "Was ist zwischen Daniel und dir?"
Jetzt musste Jessica doch lachen, obwohl sie im Grunde ziemlich verärgert war. Ihre Reaktion auf Jonas' Kuss und sein plötzlicher Rückzieher verwirrten und enttäuschten sie, aber sie beschloss, sich nichts anmerken zu lassen.
Jonas' Frage erinnerte sie an die verzwickte Beziehungskiste zwischen Alan, Daniel und Babsy. Komplizierter konnte eine Liebesgeschichte kaum sein!
"Ich bin nicht Daniels Geliebte", gab sie zurück. "Wir sind befreundet, reden viel miteinander, haben gemeinsame Interessen. Aber mehr läuft da nicht."
"Gut." Jonas seufzte erleichtert. "Weißt du, ich mag dich. Aber ich möchte nicht, dass er sich schon so früh bindet. Er soll erst mit seinem Studium fertig werden und sich ein wenig den Wind um die Nase wehen lassen."
Jessica schwieg. Jonas musste nicht unbedingt von Babsy erfahren und schon gar nicht von Alan! Das sollte Daniel mal schön selber erledigen. Sie würde den Mund halten, egal, welche Tricks Jonas auch anwenden mochte, sie auszuquetschen.
Langsam begann Jessica den Kiesweg zu dem alten Jagdhaus entlang zu wandern. Jonas folgte ihr, ebenfalls in Gedanken versunken, die sich allerdings nicht um Daniels Liebesleben drehten. Er fragte sich vielmehr, weshalb es ihn ausgerechnet zu einem so jungen Ding wie Jessica zog. Steckte er etwa bereits in der berühmt berüchtigten Midlife Crisis? Oder waren es die sogenannten 'Johannistriebe', die ihn piksten und stachen?
"Bist du wirklich gekommen, um mit mir über deinen Sohn zu sprechen?", unterbrach Jessica Jonas' Gedanken.
Er blieb stehen und sah sich wie erwachend um.
"Ich...oh.." Was sollte er darauf antworten? Ihm fiel nichts, aber auch wirklich gar nichts Vernünftiges ein.
"Schon gut", sagte Jessie, als sie sah, dass Jonas sich mit der Antwort quälte. "Es ist ja nicht so wichtig."
Sie wandte sich ab und wollte weitergehen, aber Jonas bekam ihren Arm zu fassen und hielt sie fest.
"Doch es ist wichtig." Er trat näher und sah Jessica eindringlich an. "Ich möchte, dass du verstehst, weshalb ich um meinen Sohn so besorgt bin."
Einen Moment sah es so aus als wollte Jessica sich losreißen und eine heftige Antwort geben. Aber dann besann sie sich anders. Sie seufzte nur "Okay" und gab ihren Widerstand auf.
Erleichtert fasste Jonas ihre Hand und zog sie mit sich zu dem kleinen Imbissstand, an dem heute Nachmittag Sandy Smith Dienst tat, eine kleine Brünette, die ihre Brüste vor sich hertrug wie eine Trophäe. Jessica hatte sie auf einer Studentenparty kennen gelernt und fand sie ziemlich doof. Aber zum Hot-Dog-Verkaufen schien ihr Grips auszureichen.
Sandy packte extra viel geröstete Zwiebeln auf die Würste und sparte auch nicht mit Tomaten und Chili.
Mit ihren Superportionen setzte das Paar sich auf eine der Bänke, die unter den Kastanien standen. Ein Gefühl tiefen, warmen Friedens breitete sich in Jonas‘ Inneren aus. Er seufzte leise, dann biss er mit gesundem Appetit in sein Brötchen. Seine Zähne steckten noch in der Wurst, da hüpfte eine kleine Ente auf den gekiesten Weg. Sie hatte wohl im Gebüsch gehockt, denn ein Ästchen steckte zwischen ihren Federn. Außerdem schien
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