Mr. Hunderttausend Volt!
das arme Ding verletzt oder behindert zu sein, denn sie kam mühsam humpelnd zur Bank, blieb vor dem Paar stehen und sah traurig zu den beiden auf. Für Jonas war das DIE Gelegenheit, zu zeigen, dass er nicht der herzlose Geschäftsmann war, für den Jessie ihn hielt, sondern dass auch er eine weiche, sensible Seite hatte. Großherzig brach Jonas deshalb ein Stück von seinem Brötchen ab und warf es dem Tier zu. Jessies Warnung "Lass das lieber" kam zu spät. Der Brocken flog, fiel zu Boden und wurde sofort voller Gier von der Humpelente verschlungen.
Das war das Startzeichen für eine ganze Horde Federvieh, das in dem Gesträuch am Ufer des Sees gelauert hatte. Jonas blieb vor fassungslosem Staunen der Mund offen stehen, als er rund zwanzig Enten im Sturmschritt auf sich zuwatscheln sah. Jessica begann bei diesem Anblick schallend zu lachen.
"Ich - hab ja - gesagt, dass - du es - lassen sollst", prustete sie zwischen immer neuen Lachsalven. Die Enten drängten sich indessen immer enger um Jonas Beine. Ein paar besonders dreiste schnappten sogar nach seinen Hosenbeinen und zerrten daran.
Sie wurden derart lästig, dass Jonas zum Schluss kapitulierte, ihnen das ganze Brötchen mitsamt Zwiebeln, Wurst und Chili hinwarf und sich mit den Tomatenscheiben begnügte, die, laut Jessica, Enten grundsätzlich ablehnten. Da das Federvieh mit Jonas Portion aber nicht genug hatte und begann, nun auch Jessica zu bedrängen, beschloss das Paar, die Bank zu verlassen.
Ärgerlich warf Jessica den Viechern die Reste ihres Hot-Dogs zu und folgte Jonas den Parkweg entlang zu den Booten. Als sie sich nach einigen Schritten umdrehte, waren Hot-Dog und Enten verschwunden. Letztere lauerten mit Sicherheit bereits irgendwo im Ufergesträuch auf neue Opfer, die, von Mitleid für die Humpelente erfüllt, ihr Mittagessen an sie verfütterten.
Jonas war noch dabei, das Entenabenteuer zu verarbeiten, vor allem die Erkenntnis, dass sogar als harmlos geltendes Geflügel kriminelle Energien entwickeln und richtiggehende Gangs bilden konnten. Doch Jessica ließ ihm keine Zeit, sich von seinem Schock zu erholen. Ehe Jonas protestieren konnte, hatte sie eines der Boote gemietet, die am Ufer des Sees lagen und ruderte mit ihm übers Wasser.
Die Sonne stand nun hoch am Himmel und sandte ihre heißen Strahlen hinunter auf den See, der fast ein Viertel des Parks einnahm. Es war so still, dass man das Surren und Summen der Libellen und anderen Insekten höre konnte, die über den Blüten der Seerosen schwirrten.
Jessica zog die Ruder ein und wandte ihr Gesicht der Sonne zu. "Ah, das tut gut", seufzte sie zufrieden.
Jonas konnte ihr nur beipflichten. Es tat wirklich ungemein gut. Er spürte, wie sich seine Nerven entspannten, alle Hast und Hektik von ihm abfielen und einem Gefühl der Zufriedenheit Platz machten, das sich wie Samt über seine Seele legte.
Wie lange war es her, dass er auf einer Wiese gelegen und den Wolken zugesehen hatte, die über ihn hinwegsegelten? Und wann hatte er das letzte Mal einfach mal nichts weiter gemacht als in der Sonne zu sitzen und ein Buch zu lesen?
Und wann hatte er diese tiefe Zufriedenheit empfunden und das Gefühl einfach wunschlos glücklich zu sein, die ihn genau in diesem Augenblick erfüllten?
Wie lange war das her?
"Einundzwanzig Jahre", murmelte er halblaut.
Jessica hob den Kopf und sah ihn erstaunt an. "Wie bitte?"
Erst da wurde Jonas klar, dass er laut gedacht hatte. Ein verlegenes Lächeln erschien auf seinem gutgeschnittenen Gesicht. Eilig wandte er den Kopf und sah an Jessica vorbei auf den See.
"Es ist jetzt einundzwanzig Jahre her, seit ich mich das letzte Mal so entspannt gefühlt habe."
"Was hast du damals gemacht?", forschte Jessica neugierig.
"Ich war mit Daniels Mutter bei ihren Eltern in Ithaca." Ein Lächeln spielte plötzlich um seine Lippen, sein Blick schien sich irgendwo zwischen den Büschen am Seeufer zu verlieren. "Sie wohnten direkt am Lake Cyuga und wir verbrachten die Semesterferien bei ihnen." Das Lächeln wurde intensiver sein Gesicht nahm einen verträumten Ausdruck an. "Es war ein Tag wie heute. Maxine trug einen aufregenden Bikini. Oh Mann, ich war total verrückt nach ihr, aber wir waren zu faul uns zu bewegen. So lagen wir einfach nur da, lauschten auf das Summen und Brummen um uns herum und träumten." Jonas schwieg, wahrscheinlich hing er seinen Gedanken nach. Doch dann holte er tief Luft und sprach weiter. "Damals glaubte ich noch an die große und ewige
Weitere Kostenlose Bücher