Mr. Hunderttausend Volt!
gelernt?"
"Und wie!" Jessies Lächeln fiel etwas schief aus. "Gleich von seiner besten Seite. Er hat Daniel am Kragen gepackt, aus dem Haus geschleift und beim Wegfahren mehrere Fahrzeuge gerammt. Mein Paulchen hat er auch erwischt."
"Moment, Augenblick mal!" Joanna hob Einhalt gebietend die Hand. "Habe ich das richtig verstanden? Carpenter hat seinen Sohn aus dem Haus gezerrt und Autos demoliert?"
"Ja, genauso war es." Jessie unterdrückte ein Gähnen. So langsam wurde sie müde. "Carpenter war wütend wie ein Stier mit mindestens fünf Piken im Hals. Er kam ins Wohnzimmer gestürmt wie ein Naturereignis. Bevor irgendjemand reagieren konnte, hatte er sich Daniel geschnappt und war wieder draußen. Wir sind erst zu uns gekommen, als es draußen schepperte und klirrte."
"Meine Güte!" Joanna verdrehte die Augen. "Du erlebst vielleicht Sachen. Sie musterte Jessie nachdenklich und auch ein bisschen neidisch. "Da bist du gerade mal zwölf Wochen hier und kennst schon halb Denver, Mainshill und die Leute von der Uni. Wie machst du das nur?"
"Ganz einfach, ich gehe vor die Tür." Jessie schenkte der Freundin einen bedeutungsschwangeren Blick. Ihre Freundin vergrub sich seit ihrer Ankunft regelrecht in ihrem Haus, traute sich so gut wie nie auf die Straße und wartete Abend für Abend auf ihren Mann, der dann mit ihr zum Einkaufen fuhr.
Am Anfang hatte Jessie versucht, die Freundin auf ihren Streifzügen mitzunehmen, aber Joanna hatte sich so vehement dagegen gewehrt, dass Jessie es inzwischen aufgegeben hatte, sie um ihre Begleitung zu bitten.
"Auf die Bekanntschaft mit Carpenter hätte ich gut und gerne verzichten können", fuhr Jessica mit düsterer Miene fort. "Dieser Mann ist wirklich ein Ekel! Daniel tut mir richtig Leid, dass das Schicksal ihn mit so einem Vater bestraft hat."
Joanna nickte.
"George hat mal für ihn gearbeitet. Da hat er so einiges mitbekommen. Anscheinend will Carpenter aus seinem Sohn so eine Art Rechenmaschine machen, die nichts fühlt und nur an den Familienkonzern denkt." Sie unterbrach sich, dachte kurz nach und fügte dann hinzu: "Aber als Chef soll Carpenter ganz annehmbar sein."
"Kann ich mir nicht vorstellen." Jessica gähnte jetzt unverblümt, um Joanna zu verstehen zu geben, dass sie müde war. "Als Mensch ist er jedenfalls ein Arschloch."
Sie rutschte noch etwas tiefer unter die Decke und kuschelte den Kopf ins Kissen. Eine Geste, die Joanna sofort verstand. Sie schlüpfte aus dem Bett und lief auf Zehenspitzen zur Tür. Dort blieb sie noch einmal stehen und sah zu Jessica zurück, von der nur noch der kupferrote Schopf zu sehen war.
"Wenn du möchtest, kümmert sich Georges Anwalt um die Sache mit deinem Auto", bot sie zaghaft an. „Christopher Leroy ist ein guter Anwalt. Er regelt seit Jahren alle rechtlichen Dinge in Georges Firma."
"Danke, nein", kam es aus den Kissen. "Dein Angebot ist lieb gemeint, aber ich hole mir mein Geld für die Reparatur persönlich bei Mr. Carpenter ab."
"Du tust was?" Joanna ließ den Türknauf los und kam zurück.
Jessie seufzte. "Ich gehe morgen früh zu J.J.Carpenter", erklärte sie mürrisch. "Und versuche erst gar nicht, mir das auszureden. Ich tu's doch, egal, was du dazu sagst. Dieser Mensch hat es verdient, einmal ordentlich den Kopf gewaschen zu bekommen."
"Von dir?" Joannas Stimme klang skeptisch. "Nach allem, was ich bisher über Mr. Carpenter gehört habe, stehst du schneller vor seiner Tür, als du hindurch gegangen bist. Wahrscheinlich lässt man dich gar nicht bis zu ihm vordringen. Und wenn es dir doch gelingt, in sein Heiligtum vorzudringen, wird er dich sofort von seinen Security-Mitarbeitern rauswerfen lassen. Nein, Jessie, gib die Idee auf. Ich sage Mr. Leroy Bescheid und dann..."
"Wehe!" Jetzt klang Jessies Stimme ärgerlich, weshalb Joanna vorsichtshalber den Kopf einzog. "Ich mache es auf meine Weise, verstanden? Und jetzt geh schlafen, morgen früh um acht steht dein George auf der Matte und will sein Frühstücksrührei haben. Gute Nacht."
"Gute Nacht", murmelte Joanna eingeschüchtert. Sie warf noch einen letzten, zweifelnden Blick auf das Bett, dann drehte sie sich um und verließ auf leisen Sohlen das Gästezimmer.
Kapitel 2
Es war erbärmlich! Selbst jetzt, Stunden nach dem Vorfall, fühlte Daniel Carpenter noch brennenden Zorn und tiefe Scham in sich, die ihn nicht zur Ruhe kommen ließen.
Wann würde sein Vater endlich begreifen, dass er kein Kind mehr war, sondern ein erwachsener Mann von immerhin fast
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