Mr. Hunderttausend Volt!
zwanzig Jahren, der ganz gut auf sich selber aufpassen konnte? Und den er nicht wie einen Dreijährigen am Kragen packen und irgendwohin oder von irgendetwas fortziehen konnte! Und wann würde er, Daniel, endlich den Mut dazu finden, sich gegen die Autorität seines Vaters aufzulehnen und sich gegen dessen Attacken zu wehren?
Ein Seufzer, in den sich ein verzweifeltes Schluchzen mischte, entrang sich der Kehle des jungen Mannes. Er hatte es satt, so verdammt satt, der Sohn von Jonas Jonathan Carpenter zu sein und sich ständig Vorschriften machen zu lassen. Woher nahm sein Vater das Recht, seinen Lebensweg derart vorzubestimmen?
Jonas hatte Daniels Lebensweg vorausgeplant, praktisch von der Wiege bis zur Bahre. Ja, es stand sogar schon fest, bis zu welchem Alter Daniel verheiratet sein sollte. Nur die richtige Braut war noch nicht gefunden. Jedenfalls behauptete Jonas das immer, aber Daniel hegte den Verdacht, dass sein Herr Vater schon seit längerer Zeit die Fühler nach den passenden Partien ausgestreckt hatte.
Im Haus war es ruhig. Draußen im parkähnlichen Garten plätscherte der Springbrunnen, Grillen zirpten, die Nacht war angenehm. Es war eine dieser lauen Sommernächte, die man in den Armen eines oder einer Geliebten verbringen sollte und nicht eingesperrt in seinem Zimmer wie ein Erstklässler, der Papas Angelausrüstung kaputtgemacht hatte.
Wieder brandete eine heiße Zorneswelle in Daniels Innerem hoch. Er sprang aus dem Bett, schob die breite Glastür auf und trat auf die Terrasse hinaus, die zu seinem Zimmer gehörte.
Es war einfach albern von seinem Vater, einem Zwanzigjährigen Hausarrest zu erteilen. Noch dazu, wo es ein Leichtes war, sich davonzustehlen. Als Junge hatte Daniel es nie gewagt, einfach zu entwischen. Und auch heute brauchte er eine Menge Überwindung, ehe er es schaffte, aufzustehen und auf Zehenspitzen zur Terrassentür zu schleichen.
Parker, der riesige Zottelhund unbestimmter Rasse, hob nur kurz den Kopf von seiner Matte, als Daniel die Glastür aufschob.
"Psst", raunte er dem Hund zu. "Verrate mich nicht."
Parker schnaufte, bettete den Kopf auf die Vorderläufe und schloss die Augen
Auf Zehenspitzen lief Daniel über die Terrasse. Sein Wagen stand vor den Garagen. Er stieg ein, zog leise die Tür zu und schob den Zündschlüssel ins Schloss.
Den Motor zu starten, traute Daniel sich nicht. Er löste die Handbremse, damit der Wagen rückwärts die Einfahrt hinunterrollen konnte. Erst an der Straße drehte er den Zündschlüssel, wendete und fuhr so eilig davon, dass die Reifen quietschten.
Alan konnte ebenfalls nicht schlafen. Er saß auf dem winzigen Balkon, der zu seinem Appartement gehörte. Ein winziges Loch, nur mit einer Kochnische, in die gerade mal eine Mikrowelle passte, dafür aber teuer wie eine Luxusbleibe. Der Vermieter begründete seine Forderung mit dem schönen Blick auf den Ville-France-Park, an dessen Längsseite sich der Gebäudekomplex befand.
Okay, der Blick war wirklich toll und gerade jetzt genoss Alan die Kühle, die aus den Wiesen aufstieg und den Duft nach Heu und wilden Rosen mitbrachte.
Er drehte sich nicht um, als Daniel den Wohnraum betrat. Hochaufgerichtet stand Alan auf dem kleinen Balkon und sah auf den von Laternen erhellten Parkweg hinunter. Ein Eichhörnchen sauste quer über den feinen Kies und war gleich darauf zwischen den Ästen einer Kastanie verschwunden.
"Hast du dir deine Standpauke abgeholt?"
Daniel blieb unter der Schiebetür stehen. Der Spott in Alans Stimme versetzte ihm einen schmerzhaften Stich in der Herzgegend.
"Ich bin hier, ist das nichts?" Es klang selbst in Daniels Ohren jämmerlich. Er trat hinter Alan, umarmte ihn und legte den Kopf an dessen Schultern. "Es tut mir Leid."
"Es tut dir Leid, es tut dir Leid! Immer tut dir irgendetwas Leid!" Alan trat zur Seite und Daniels Arme fielen herunter. "Meine Güte, Danny, werde endlich erwachsen. Das, was dein Vater heute Abend abgezogen hat, das macht man höchstens mit einem bockigen Dreijährigen!"
"Aber was soll ich denn machen?" Hilflos breitete Daniel die Arme aus. "Ich kann meinen Vater nicht ändern."
"Nein, aber du kannst DICH ändern", erwiderte Alan. Er ging ins Wohnzimmer und ließ sich dort auf dem Sofa nieder. "Willst du dein ganzes Leben unter der Fuchtel deines Vaters verbringen?" Alan blickte auf, Daniel direkt ins Gesicht. "Du weißt genau, wie das ausgeht. Du wirst irgendwann seinen Platz in der Firma einnehmen, wirst eine Frau heiraten, die du
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