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Mr. Joenes wundersame Reise

Mr. Joenes wundersame Reise

Titel: Mr. Joenes wundersame Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Sheckley
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wirklich eine traurige Geschichte«, gab der Colonel zu. »Aber die Geschichten der Menschen sind immer traurig.«
    »Wenn der Spion geschnappt wird – wie sieht seine Strafe aus?«
    »Er hat sie sich bereits auferlegt«, informierte der Colonel ihn. »Seine Strafe besteht darin, die Karte zu dechiffrieren.«
    Joenes konnte sich wahrlich kein schlimmeres Schicksal vorstellen. Er fragte: »Erwischen Sie hier im Octagon viele Spione?«
    »Bis zum heutigen Tage«, erklärte der Colonel,
    »ist es keinem einzigen Spion gelungen, die vorge-schobenen Sicherheitsmaßnahmen zu überwinden und richtig in das Gebäude einzudringen.«
    Der Colonel mußte in Joenes‘ Gesicht einen Ausdruck des Auswillens erkannt haben, denn er beeilte sich hinzuzufügen: »Dies jedoch schmälert auf keinen Fall die Aussage meiner Geschichte. Wenn ein Spion trotz aller Sicherheitsmaßnahmen bis hierher vordringen könnte, dann würde er sich genauso benehmen, wie ich ihn beschrieben habe.
    Und eines können Sie mir glauben, jede Woche 225
    werden Spione in unserem engen äußeren Sicher-heitsnetz gefangen.«
    »Ich hab‘ keine Sicherheitsmaßnahmen oder ähnliche Aktivitäten bemerkt«, sagte Joenes.
    »Natürlich nicht. Denn einmal sind Sie kein Spion. Zum anderen weiß man bei der Sicherheitsabteilung, daß man gute Arbeit leistet und sich nicht offenbaren muß. Man braucht nur zu handeln, wenn es wirklich nötig ist. So ist die Lage im Augenblick. Für die Zukunft, in der weitere raffinierte Spione geboren werden, halten wir in der Kartographie unsere falschen Pläne bereit.«
    Joenes nickte. Er war eifrig darauf bedacht, endlich seinen Job anzutreten, doch er wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Indem er sich entschloß, auf Umwegen an sein Ziel heranzugehen, fragte er den Colonel: »Sind Sie eigentlich fest davon überzeugt, daß ich kein Spion bin?«
    »Bis zu einem gewissen Grad ist jeder ein Spion«, sagte der Colonel. »Doch entsprechend der besonderen Betonung ihrer Frage würde ich sagen, ja. Ja, ich bin ziemlich fest davon überzeugt, daß Sie kein Spion sind.«
    »Nun gut«, sagte Joenes, »ich muß Ihnen mitteilen, daß ich auf speziellen Befehl hier bin und ein bestimmtes Büro aufsuchen muß.«
    »Darf ich mal Ihre Marschbefehle sehen?« fragte der Colonel. Joenes reichte sie ihm. Der Colonel studierte die Formulare und gab sie zurück.
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    »Sie sehen richtig offiziell aus«, sagte der Colonel. »Sie sollten das Büro lieber gleich aufsuchen.«
    »Das ist ja mein Problem«, sagte Joenes. »Die Wahrheit ist, daß ich mich verlaufen habe. Ich versuchte mich einer Ihrer so berühmten und perfek-ten falschen Karten anzuvertrauen, und natürlich kam ich damit überhaupt nicht weiter. Da Sie nun wissen, daß ich kein Spion bin und Ihnen zudem bekannt ist, daß ich auf besonderen Befehl handle, wäre ich für jede Hilfe dankbar, die Sie mir geben können.«
    Joenes hatte seine Bitte auf die zurückhaltend-ste aber auch deutlichste Art vorgetragen, wie er sie für die Mentalität des Colonels für angemessen hielt. Doch der Colonel wandte den Kopf ab, sein Gesicht von einem Ausdruck der Verlegenheit überschattet.
    »Ich fürchte zu meinem großen Bedauern, daß ich Ihnen womöglich nicht helfen kann«, sagte der Colonel. »Ich habe nicht die mindeste Idee, wo Ihr Büro liegt, und ich weiß noch nicht einmal, welche Richtung Sie einschlagen müssen.«
    »Aber das ist doch unmöglich!« schrie Joenes.
    »Sie sind ein Kartograph, ein offizieller Kartenzeichner für dieses Bauwerk. Und selbst wenn Sie falsche Pläne zeichnen, zeichnen Sie auch richtige, dessen bin ich sicher, denn schließlich liegt das in Ihrer Persönlichkeit verankert.«
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    »Was immer Sie auch sagen – Sie haben recht«, sagte der Colonel, »vor allem, was Sie über meine Persönlichkeit bemerkten. Jedermann kann das Wesen eines Kartographen sofort erfahren, denn dessen Charakter drückt sich auch in seiner Arbeit aus. Diese Arbeit besteht darin, Karten von größ-
    ter Genauigkeit zu zeichnen, Karten so akkurat und deutlich lesbar, daß selbst der dümmste Mensch ihnen folgen kann. Meine Funktion wurde durch Notwendigkeiten, die außerhalb meiner Kontrolle liegen, pervertiert, daher muß ich nun die meiste Zeit damit verbringen, falsche Karten zu zeichnen, die aussehen, als wären sie echt. Doch wie Sie sicherlich schon vermutet haben, kann nichts einen wahren Kartenzeichner davon abhalten, echte Karten zu zeichnen. Ich würde dies tun, selbst wenn es

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