Mr. Joenes wundersame Reise
des Gebäudes bin ich ein Experte«, sagte der Colonel traurig, »und ich könnte mindestens ein Jahr darüber reden, ohne mich auch nur ein einziges Mal zu wiederholen. Doch unglücklicherweise kann ich Ihnen keinen Rat geben, der Ihnen in Ihrer besonderen Situation weiterhelfen könnte.«
Joenes fragte: »Glauben Sie, daß ich das Büro, das ich aufsuchen soll, jemals finden werde?«
»Wenn Sie hier etwas Wichtiges zu erledigen haben«, antwortete der Colonel, »und wenn die hohen Beamten wollen, daß Sie das Büro finden, dann, da bin ich vollkommen sicher, werden Sie keine Schwierigkeiten haben. Andererseits könnten Ihre Geschäfte ja auch für niemanden sonst als für Sie allein von Bedeutung sein – in diesem Fall werden Sie bestimmt sehr lange suchen müssen.
Sicher, Sie haben da ein offizielles Schreiben bei sich, doch ich habe den Verdacht, daß die hohen Beamten die Leute manchmal in imaginäre Büros schicken, um die inneren Sicherheitsvorkehrungen im Gebäude zu testen. Wenn das bei Ihnen der Fall sein sollte, dann sind Ihre Erfolgschancen natürlich äußerst gering.«
»So oder so«, murmelte Joenes trübsinnig, »sieht es für mich nicht allzugut aus.«
235
»Nun, ein solches Risiko gehen wir alle hier ein«, sagte der Colonel. »Spione vermuten, daß ihre Be-fehlsgeber sie nur deshalb auf besonders gefährliche Missionen schicken, um sie loszuwerden, und Kartographen glauben, daß man sie nur zeichnen läßt, damit sie sich nirgendwo einmischen und sich aus allem heraushalten. Wir haben alle unsere Zweifel, und ich kann Ihnen nur alles Glück der Welt wünschen und der Hoffnung Ausdruck verleihen, daß ihre Zweifel sich niemals bewahrhei-ten.«
Nach diesen Worten verneigte der Colonel sich voller Ehrerbietung und entfernte sich.
Joenes schaute ihm nach und überlegte, ob er ihm folgen solle. Doch er hatte sich bereits in diese Richtung bewegt, und es erschien ihm als ein notwendiger Akt des Vertrauens, weiter ins Ungewisse vorzustoßen, anstatt sich schon beim ersten Hindernis geschlagen zu geben und sich entmutigen zu lassen.
So wanderte Joenes weiter, doch nicht nur aus blindem Vertrauen. Er vermutete auch, daß man die Gänge hinter ihm längst schon verändert hatte.
Joenes schritt weiter durch weite Säle und Gän-ge, Treppen hinauf und hinab, durch Seitengänge, Abzweigungen, durch Vorzimmer und durch immer mehr Korridore. Er widerstand dem Drang, seine wunderschöne falsche Karte zu Rate zu ziehen, 236
doch er konnte sich auch nicht überwinden, das Ding einfach fortzuwerfen. Daher behielt er sie in seiner Tasche und ging weiter.
Nichts gab ihm einen Hinweis über die Zeit, die verstrichen war, doch schließlich wurde Joenes müde. Er befand sich nun im alten Teil des Bauwerks. Die Fußböden bestanden hier aus Holz anstatt aus Stein, und sie waren schon halb verrot-tet, wodurch der weitere Weg überaus gefährlich wurde. Die Wände, aus brüchigem Gips gefügt, waren fleckig und morsch. An einigen Stellen war der Gips schon herausgebrochen und legte die Installation des Gebäudes frei, ein bizarrer Anblick und eine nicht geringe Gefahr für den Ausbruch eines Feuers. Nicht einmal die Decke machte einen vertrauenerweckenden Eindruck. An einigen Stellen hing sie so weit durch, daß Joenes damit rechnete, sie würde ihm jeden Moment auf den Kopf fallen.
Was immer an Büros hier gewesen sein mochte, sie existierten nicht mehr, und hier mußten schnellstens umfangreiche Reparaturen durchge-führt werden. Joenes sah sogar den Hammer eines Arbeiters an einer Stelle auf dem Boden liegen; das verriet ihm, daß hier schon bald Reparaturen vorgenommen werden würden, auch wann er bisher keinen einzigen Arbeiter gesehen hatte.
Völlig entmutigt legte Joenes sich auf den Boden, seine tiefe Erschöpfung ließ ihm keine andere 237
Wahl. Er streckte sich aus und war schon nach wenigen Minuten tief eingeschlafen.
DIE GESCHICHTE VON THESEUS
Joenes erwachte mit einem Gefühl des Unbehagens. Während er sich erhob, vernahm er das Ge-räusch von sich nähernden Schritten im Gang.
Schon bald entdeckte er den Verursacher dieses Geräusches. Es war ein Mann, hochgewachsen und in der Blüte seiner Jahre, mit einem Gesicht, glei-chermaßen intelligent wie auch mißtrauisch. Der Mann hielt in der Hand einen Faden, der auf einer Spindel aufgerollt war. Während er ausschritt, wickelte sich der Faden von der Spindel und glitt zu Boden.
Kaum entdeckte der Mann seinerseits den soeben aufgestandenen
Weitere Kostenlose Bücher