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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Nadzam
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dann nicht mit?«
    »Ja.«
    »Sag die Wahrheit.«
    »Ich dachte, du würdest mich nicht mitnehmen, wenn ich nicht zurückwill.«
    »Aber gerade jetzt willst du doch zurück.«
    »Ich fühle mich so schlecht.« Ihre Stimme stieg zu einem dünnen, hysterischen Kreischen an, und sie fing wieder an zu weinen.
    »Sch. Ich weiß ja. Ist schon in Ordnung. Hör zu. Hör mir zu, Tom. Erinnerst du dich an unsere Abmachung?«
    »Wir bleiben eine Woche weg, dann bringst du mich nach Hause.«
    »Fast.«
    »Wir bleiben ein paar Tage weg, dann bringst du mich nach Hause.«
    »So ist es richtig. Und ist das von zu Hause weglaufen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Das ist eher wie Ferien, oder?«
    »Aber geheime Ferien.«
    »Na ja. Ich weiß nicht, ob mir das Wort geheim gefällt. Eher ist es etwas, das Teenager machen, oder? Teenager-Ferien.«
    Sie wischte sich die Nase mit dem Taschentuch ab.
    »Und du warst mit der Abmachung einverstanden.«
    »Ja.«
    »Kein Weglaufen.«
    »Nein.«
    »Gut«, sagte er. »Ich weiß nicht, wie ich das finde, dass du mir das verheimlichen wolltest.«
    »Es tut mir leid!«
    »Ist ja gut. Ist ja gut.« Er fuhr ihr mit dem Finger über die Stirn ins Haar. »Nimm’s nicht so schwer. Ich war auch mal ein Teenager. Vor zehntausend Jahren. Ich weiß, wie das ist. Und ich könnte mir denken, als du die Mutter mit ihrem Kind gesehen hast, das hat dir einen kleinen Stoß versetzt, richtig?« Er presste seinen Daumen auf ihre Brust, genau da, wo ihr Herz war.
    Sie nickte.
    »Gut, lass uns drüber sprechen. Denn wenn dir etwas einen Schmerz verursacht, das du gar nicht getan hast – wie weglaufen –, dann ist unsere Reise in eine Schieflage geraten. Und wir müssen sie zusammen wieder auf die richtige Spur bringen. Einverstanden?«
    »Einverstanden.«
    »Tom, sieh mich an. Brav. Schaffst du ein Lächeln? Zu gerne würde ich ein Lächeln sehen. Gut. Jetzt sag mir, ob es sich anfühlt, als würdest du weglaufen.«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Und warum nicht?«
    »Weil ich in ein paar Tagen wieder nach Hause fahre.«
    »Du lässt deine Mutter nicht im Stich.«
    Sie schüttelte den Kopf und zog die Lippen nach innen, und ihre Augen füllten sich wieder mit Tränen, und er legte seine Hände fest um ihr Gesicht und zog es an sich, sodass sein warmer Atem ihr auf Mund, Nase und Kinn strömte.
    »Nein, du läufst nicht weg. Wahrscheinlich macht sie sich Sorgen, aber wir schicken ihr eine Postkarte, die sie morgen bekommt, oder am Tag danach, und dann fühlt sie sich schon viel besser.« Er hielt ihr Gesicht fest und sprach fast in ihren Mund hinein. »Und bevor sie sich neue Sorgen machen kann, stehst du schon wieder vor der Tür. Und bist ein bisschen reifer, ein bisschen weiser. Dein schönes Haar ist mit hellen Lichtern von der Oktobersonne geküsst, weil wir so hoch in den Bergen waren. Und das alles sieht sie dir an, stimmt’s?«
    »Ja.«
    »Und sie wird so erleichtert sein, dass du zu einem klugen, aufrechten und großen Mädchen heranwächst.« Seine Stimme war ein leises, sanftes Rauschen an ihrem Gesicht.
    »Ja.«
    »Und sie hat dich noch mehr lieb als vorher. Und du hast sie mehr lieb als vorher.«
    »Ja.«
    »In deinem Herzen ist Raum für mehr Liebe, als du weißt, Tom, hörst du?« Er sah ihr direkt in die Augen. Sie sah zu ihm auf und wieder nach unten, auf die dünnen gelben Streifen quer über seiner Brust von seinem Hemd, und wieder auf zu ihm.
    »Ja.«
    »Jetzt bedeutet es dir sicherlich nicht viel, aber ich möchte, dass du dir das merkst, was ich gerade gesagt habe. Du sollst dich daran erinnern, dass in deinem Herzen viel Platz ist. Dein Herz ist sehr, sehr groß. Was immer seinen Weg hinein findet – schlechte Gefühle, Bedauern, Schamgefühle –, du brauchst nichts daraus zu verjagen. Du erlaubst deinem Herzen einfach, all das zu behalten.«
    »Ist gut.«
    »Das klingt ein bisschen komisch, oder?« Er lehnte sich zurück und nahm seine Hände von ihrem Gesicht. Sie lächelteund nickte. »Wie sieht es jetzt aus? Sollen wir zu den Tatsachen zurückkehren?«
    Sie nickte.
    »Ich fange an. Hier ist eine Tatsache: Du putzt dir die Nase wie ein trompetender Seetaucher.«
    Sie lachte. »Ich muss lachen, wenn du so was sagst.«
    »Ach, Süße. Das ist heute meine Lieblingstatsache.« Er lächelte breit, nahm ihr Gesicht wieder in die Hände und küsste sie auf die Stirn. »Ist das in Ordnung? Wenn ich das tue?«
    »Ja.«
    »Gut«, sagte er und setzte sich gerade hin. »Ich glaube, jetzt bin ich

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