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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Nadzam
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alle Fakten ganz klar werden. Dass du erst elf bist und dass deine Eltern – deine Mom – in eurer Wohnung auf dich warten würden. Ich wollte darüber nachdenken. Verstehst du das?« Er wandte ihr sein Gesicht zu.
    »Ja.«
    »Nur so kann man das machen. Wir müssen ehrlich damit umgehen.«
    »Ich weiß.«
    »Ich habe da eine junge Frau mit einem Mann gesehen. Ich dachte, vielleicht waren es deine Mom und Jessie.«
    »Wahrscheinlich waren sie es.«
    »Und jetzt kommt das richtige Geständnis, Tom, okay?« Sie sah ihn aufmerksam an. »Denn seitdem?« Er brach ab und sah auf.
    »Was?«
    Er sah sie an. »Seitdem, Tom, verfolgt mich ihre Schönheit.«
    »Meine Mom?«
    »Deine Mutter, genau. Findest du sie nicht schön?«
    »Ja, vielleicht.«
    »Vielleicht? Ich sage dir eins. Sie ist eine Schönheit. Und ich kenne mich in diesen Dingen aus.«
    »Ich weiß.«
    »Das weißt du?«
    »Du hast es mir schon einmal gesagt.«
    Er legte ihr Zeigefinger und Daumen unters Kinn und hobihr Gesicht an. »Sieh mich an. Wir kennen die Tatsachen, richtig?« Sie nickte. »Und wir gehen in allem ganz achtsam vor, richtig?«
    »Ja.«
    »Weil wir diese Welt lieben. Und alle Menschen, die darin leben.«
    »Ja.«
    »Gut.« Er ließ ihr Kinn los und legte ihr die Hand auf den Kopf. »Dann sind wir also so weit, dass wir fahren können? Denn das machen Leute wie du und ich.«
    * * *
    Er fuhr in die Nacht, auf einer kurvigen Passstraße, an Granitwänden entlang, oberhalb von grünfingrigen Eichen und mit roten Beeren behangenen Dornensträuchern und schlanken Espen, oberhalb von Bäumen, die in südöstlicher Richtung gebeugt waren und entlang der einen Seite wie schwarze Pfähle standen, verbogen und gekrümmt von gewaltigen eisigen Winden, zwischen großen Felswänden mit kleinen, schneebedeckten Vorsprüngen hindurch und losem Gestein, das auf die Straße rollte.
    Die Felswände lagen waagerecht, als sie die Passhöhe erreichten, und langsam fuhren sie abwärts, zwischen kargen Nadelbäumen hindurch, deren Silbernadeln stumm im Licht der Scheinwerfer blinkten. Sie fuhren in Kurven an neongelben Straßenschildern und Warnschildern vorbei, die das Gefälle anzeigten, und wieder zwischen Kiefern hindurch, bis sie abermals zu den Espen kamen, die auch hier gelb und blassgrün waren.
    »Das macht mir Angst, hier oben.«
    »Na ja.« Er sah auf die Straße. »Es ist karg hier oben, könnte man sagen. Und hoch.«
    »Wie hoch?«
    »Zwölftausend, dreizehntausend Fuß. Das ist mehr als zwei Meilen hoch.«
    »Das weiß ich.«
    »Manchmal vergesse ich, wie klug du bist.« Er warf ihr einen Blick zu und sah wieder auf die Straße. »Weißt du auch, was jetzt passiert, nachdem wir über den Kamm sind? Alle Flüsse fließen jetzt in die andere Richtung.«
    »Echt?«
    »Und die Vögel sind viel größer. Es gibt Geier und Adler und Eulen und Falken.«
    »Auch Bären?«
    »Ja. Und Rinder.«
    »Wir haben schon welche gesehen.«
    »Nicht diese hier. Die hier sind doppelt so groß, sie leben überall in den Bergen, zwischen den Bäumen, sie schwimmen in den Gebirgsbächen, und nur ihr Kopf guckt raus.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Waldrinder.«
    »Du lügst.«
    »Im Spätherbst kommen Männer wie ich hier hoch und jagen Hamburger-Fleisch.«
    »Ach ja?«
    »Pass nur auf«, sagte er. »Vielleicht siehst du eine große, zottelige Kuh zwischen den Bäumen, die dich ansieht, mit einer Plastikmarke in ihrem hübschen samtenen Ohr und mit struppigem Haar, das ihr übers Gesicht hängt.«
    »Das hört sich schön an.«
    »Ach, du Liebes.« Wieder warf er ihr einen Blick zu. »Etwas Schöneres habe ich seit Jahren nicht gehört.« Einen Momentlang schwieg er. »Wirklich nicht«, sagte er dann. »Gar nicht so leicht, das zuzugeben.«
    Er ließ sie schlafen, sie schlief und wachte immer wieder auf, bis sie zu einer kleinen Ortschaft kamen, die sich an die grünen Hänge eines Flusstals klammerte. Es war sehr kalt, der Himmel schwarz und klar. Ein enormer Wind rauschte durch das grüne Tal und schüttelte den Wagen, den der Mann vor einem kleinen, schwach beleuchteten Hotel geparkt hatte. Tommie schlummerte in der Wärme des Wagens, während er ein Zimmer buchte, dann öffnete er die Beifahrertür, und als sie ausstieg, taumelte sie im Wind.
    »Der Sandmann war schon da«, sagte er und hielt sie am Arm fest.
    »Sprich nicht von ihm«, sagte sie und sah zu ihm auf; das Weiß ihrer Augäpfel war hell in der Dunkelheit. »Den mag ich nicht.«
    »Ich weiß«, sagte er.

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