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Mr. Lamb

Mr. Lamb

Titel: Mr. Lamb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bonnie Nadzam
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die Glasplatte zurück und nahm ein winziges Taschenmesser mit einem Griff aus Knochen heraus. Er streckte die Hand über die Theke und nickte dem Mädchen zu, das ihrerseits die Hand öffnete. Er legte ihr das Messer auf die Handfläche.
    »Das hier kostet zwanzig.«
    Sie fühlte das Gewicht in der Hand – erstaunlich schwer für die Größe. Sie hatten beide denselben Gedanken: wie der Anspitzer. Sie nickte Lamb zu, und der Verkäufer deutete mit den Augen auf die Hose des Mädchens.
    »Das passt in deine Jeanstasche«, sagte er.
    * * *
    Der erste Morgen war kalt, blitzblau und perfekt. Während das Tageslicht sich über ihm ausbreitete, lehnte Lamb in der Schaffelljacke, die er in der Hütte gefunden hatte, an seinem Wagen und hörte dem Trillern der weißbrüstigen Spatzen zu, die sich über dem Drahtzaun vom Wind tragen ließen. Strauchbirken standen in dichten, weißen Reihen zwischen dem Fluss und der Straße, die Stämme so gerade und nackt wie gebleichte Knochen, die obersten Zweige fedrig und schleimgrün. Kopfschmerzen, die als Pochen in den Schläfen begonnen hatten, breiteten sich hinter seinen Augen zu Nacken und Kiefer hin aus und verdichteten sich zu einem Knäuel in einer Ecke seines Gehirns, als würden sie sich einem Gedanken unterwerfen, der dort versteckt lag, oder als fürchteten sie sich vor ihm. Es war die Höhenlage. Das Mädchen würde auch Kopfschmerzen haben.
    Er rasierte sich mit eisigem Wasser und wusch sich das Gesicht,Nase und Augen, und der Wind war wie ein kalter Hauch in seinem Haar und zwischen den Zähnen und reinigte ihn durch und durch.
    In der Werkstatt nahm er eine Dose Chilibohnen, fünf Eier und eine Dose Sardinen in Öl und stellte alles auf einen flachen Felsen hinter der Hütte, wo sie, so hatte er es beschlossen, das Feuer machen würden. Außerhalb von Fosters Sichtfeld.
    Er hob ein Vogelnest aus der Regenrinne und klemmte es sich unter den Arm. Er stopfte sich die Taschen voll mit welkem Laub und Unkraut, las eine Handvoll dürrer Stöcke auf und trug alles zu seiner Feuerstelle. Von dem geschrumpften Holzstapel in der Werkstatt nahm er die längsten und dünnsten Scheite, legte sie der Länge nach nebeneinander auf den Boden, fügte zwei Enden zusammen und stopfte das trockene Laub dazwischen. Er zündete das Vogelnest an und setzte es obenauf.
    Er füllte den kleinsten Topf, den er hatte finden können, mit Wasser, legte vorsichtig ein Ei hinein und füllte eine Handvoll Kaffeemehl dazu, dann goss er sich nicht mehr als einen Fingerbreit Whiskey in einen Blechbecher. Gleich darauf waren seine Knochen gewärmt, das Feuer brannte munter, die Vögel zwitscherten, und sein Kaffee kochte. Die ersten Schlucke trank er langsam, er pellte das gekochte Ei in der kalten Hand, aß es in kleinen Bissen und trank dazu seinen Kaffee. In dem Moment tat ihm das mit dem Mädchen fast leid – dass er es mitgebracht hatte.
    Überall gab es Antilopen, auf dem Kamm nach Westen, hinter Fosters Haus, mit langen Gesichtern und struppiger Mähne. In blauen Wolken stieg Rauch von dem Feuer in die kalte Luft auf, und er stellte sich vor, dass er es aus der Ferne sähe – das niedrige, flach brennende Feuer, darüber die senkrecht aufsteigende Rauchsäule: ein Signal, dass es ihn in der Welt gab.
    Er füllte seinen Becher abermals mit schwarzem Kaffee, öffnete die Dose und kippte die Chilibohnen in den kleinen runden Blechtopf. Die Kälte war ein Stechen in seinen Ohren und Fingern, ihm lief die Nase, aber innerlich war er wunderbar warm. Schatten von Grashalmen auf Grashalmen, die höher steigende Sonne, die alles in ihrer Wärme zusammenfügte. Zum ersten Mal seit einer Woche, vielleicht war es auch seit einem Jahr, er wusste es nicht mehr, hatte er das Gefühl, dass er, sollte er die Gelegenheit haben, richtig schlafen könnte.
    Er stellte den Topf auf das schmalste Stück der Feuerstelle und rührte die Bohnen, damit sie nicht anbrannten. Ein klarer, durchdringender Vogellaut. Ein Wiesenstärling. Die Bäume leuchteten jetzt, der Raureif auf dem Gras taute, und der auf dem Autodach, und da kommt ja das Mädchen, seine kleine, sommersprossige Tochter-Nichte, den neuen Schlafsack um die Schultern. Sie fand Lamb hinter der Hütte, wo er das orange brennende Feuer schürte, das mit dem Wind größer und kleiner wurde. Neben ihm stand das Campinggeschirr und auf dem spitzen Ende der Scheite ein kleiner Topf überm Feuer.
    »Komm her, wenn du das beste Lagerfeuer der Welt sehen willst«,

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