Mr Monster
freust dich nicht, sondern behandelst mich so, als wäre ich verrückt.«
»Wir reden nicht über …«
»Doch, wir reden darüber!« Jedes Mal, wenn sie es verleugnete, tat es mir weh, als hätte sie mir ein Messer in die Brust gerammt. Das Loch in mir wurde immer größer, tiefer und dunkler … das Bedürfnis zu töten, das so lange nicht mehr gestillt worden war, das immer stärker und immer schwerer zu unterdrücken war. »Ich kann nicht so tun, als wäre es nicht passiert, und ich konnte nicht hier herumsitzen, während das Ungeheuer die ganze Stadt umbrachte.
»Wir sind doch gar nicht sicher, ob …«
»Du hast es gesehen!«, rief ich abermals. Die Augen brannten mir. »Du hast es gesehen! Bitte, sag nicht, dass du es nicht gesehen hast, bitte, tu mir das nicht an!«
Sie musterte mich stumm und dachte nach.
Das Telefon klingelte.
Wir starrten es an. Es klingelte wieder.
Mom hob ab. »Ja?« Sie hörte einen Augenblick lang zu und schüttelte schließlich den Kopf. »Moment«, sagte sie. Dann legte sie die Hand auf den Hörer und sah mich an. »Unsere Diskussion ist noch nicht zu Ende. Ich bin gleich wieder da, und dann reden wir weiter.« Sie ging mit dem Telefon ins Schlafzimmer. »Sofort, Madam«, sagte sie, dann schloss sie die Tür.
Ich schlich unterdessen auf Zehenspitzen hinaus, obwohl ich Lust hatte, alles Mögliche zu zertrümmern, sprang ins Auto und ließ den Motor an. In einem weiten Bogen wendete ich und fuhr die Straße hinunter. Mom sah mir durch die Vorhänge nach und rief etwas, kam aber nicht heraus. Dachte sie etwa, ich lief fort? Oder kannte sie den wahren Grund?
Wusste sie, dass ich nur ging, weil ich ihr nicht wehtun wollte?
Der Motor dröhnte dumpf und hungrig wie ein Tier, das aus seinem Käfig ausbrechen will. Mr. Monster hätte allzu gern sämtliche Autos gerammt, an denen wir vorbeifuhren, einen Fußgänger nach dem anderen überfahren und den Motor um jeden Laternenpfahl der Stadt gewickelt. Ich kämpfte ihn nieder, während ich fuhr, die Hände fest auf dem Lenkrad und bewusst langsam.
Manchmal musste ich einfach allein sein, aber manchmal wollte ich allein sein und wusste, dass dabei nichts Gutes herauskam. Allein am Ufer des Freak Lake, allein im Lagerhaus ein Feuer legen, mich vor dem Fenster von Nachbarn verstecken … ich konnte mir selbst nicht trauen. Auch an diesem Abend nicht. Ich brauchte andere Menschen – und zwar solche, die mich weder bedrohten noch verurteilten. Ich brauchte jemanden wie Dr. Neblin, doch der war tot.
Brooke? Ihre Gegenwart würde mich wahrscheinlich beruhigen, doch wie lange würde das anhalten, und wie viel würde sie dabei von mir zu sehen bekommen? Ich durfte sie keinesfalls erschrecken, denn sie mochte mich ja sogar. Vielleicht konnte ich Max besuchen und ihm einfach zuhören, wie er mit sich selbst beschäftigt war oder von seinen Comics erzählte. Irgendwann würde er allerdings wieder seinen Dad erwähnen, und damit wollte ich mich an diesem Abend nicht befassen. Leider war damit die Liste meiner Bekannten auch schon erschöpft.
Abgesehen von Margaret. Ich wendete und bog in ihre Richtung ab. Immer noch fuhr ich langsam und atmete tief durch. Ich wollte keinen Unfall riskieren oder in Versuchung geraten, zu schnell zu fahren und das Auto gegen irgendein willkürliches Ziel zu lenken. Margaret war die Glückliche in unserer Familie, die Einfache, die Vernünftige. Wir konnten alle mit ihr reden, weil sie nie Partei ergriff oder einen Streit anfing. Sie war unsere Zuflucht.
Als ich vor ihrer Wohnung anhielt, sah ich sie schon durchs Fenster. Sie telefonierte gerade. Wahrscheinlich mit Mom, die sie warnte, dass der verrückte John schon wieder Ärger machte. Fluchend fuhr ich weiter. Warum konnte sie mich nicht in Ruhe lassen?
Es gab noch eine weitere Möglichkeit, vor ihr zu fliehen. Lauren hatte nur ein paar Straßen weiter eine eigene Wohnung. Sie und Mom hatten seit dem Muttertag nicht mehr miteinander geredet, und auch davor hatten sie kaum Kontakt gehabt. Mom rief sie auf keinen Fall an, und wenn doch, dann ging Lauren nicht dran.
Vor dem Haus sah ich mich nach Curts Truck um, doch er war nicht da. Erleichtert atmete ich aus; ich wusste gar nicht, wie lange ich schon die Luft angehalten hatte. Dies war nicht der richtige Abend, um Curt zu beobachten. Ich musste ruhig bleiben und die Leichen, die Ermittlungen und alles andere vergessen. So stellte ich den Wagen ab und betrat das Gebäude. Da ich erst ein einziges Mal hier
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