Mr Monster
grinste mich an. »Deine Schwester mag es heiß, am Ende stellt sie es noch in die Mikrowelle.« Lauren drehte den Wasserhahn auf, und Curt rief in Richtung Küche: »Kein Leitungswasser, Baby! Ich will Sprudel.«
»Nichts mehr da«, erwiderte Lauren. »Ich gehe erst am Wochenende wieder einkaufen.«
»Na gut.« Curt wandte sich wieder an mich. »Irgendwas vergisst sie immer. So sind die Frauen eben, was?«
Das war es – genau das brachte mich zum Verstummen. Es war sein ganzes Gehabe, seine Worte, seine Einstellung und sogar sein Lächeln.
Er war genau wie mein Dad. Es hatte damit zu tun, wie er mit Leuten umging, scheinbar gesellig und fröhlich, aber innerlich meilenweit entfernt. Distanziert. Unnahbar. Er war so von sich eingenommen, dass er für niemanden sonst mehr Platz hatte. Wir waren das Publikum für seine Scherze und der Spiegel, der seine Handlungen reflektierte, aber keine Freunde und keine Angehörigen.
Würde Curt explodieren wie mein Vater, wenn wir einmal selbst handelten, ohne ihm als Kulisse zu dienen? Würde er Lauren anbrüllen oder sogar schlagen?
»Du hast ja immer noch nichts gesagt.« Er nahm das Glas von Lauren entgegen und setzte sich wieder bequem hin, sie kuschelte sich an ihn.
Ich stand auf. »Ich wollte sowieso gerade gehen.« Keine Sekunde länger konnte ich seine Gegenwart ertragen. Einen Moment lang zögerte ich noch, als wartete ich auf seine Erlaubnis, dann wandte ich mich ab und ging in die Küche.
»Du bist doch gerade erst gekommen.« Lauren sprang auf. »Geh noch nicht!«
»Nein, lass dich bloß nicht durch mich vertreiben«, sagte Curt.
Ich stellte mein Glas auf den Tisch, dann überlegte ich es mir und setzte es auf der Anrichte ab. Es hatte auf dem Tisch einen feuchten Ring hinterlassen, den ich mit der Hand abwischte.
»Wir könnten doch einen Film ansehen«, schlug Lauren vor. »Ich habe nicht viele … aber zum Beispiel diesen kitschigen Film, den Dad mir zu Weihnachten geschenkt hat. The Apple Dumpling Gang .« Sie lachte.
»Bitte nicht!«, stöhnte Curt.
»Schon gut«, wehrte ich ab. »Ich muss gehen.«
»Jetzt hast du ihn mit deinem Film verscheucht«, maulte Curt, der bequem auf dem Sofa lümmelte. »He, Lauren, willst du eine Pizza?«
»Mach’s gut, Lauren.« Ich eilte hinaus.
»Mach’s gut, John.« Ihre Stimme klang ein wenig schrill. Sie machte sich Sorgen. »Komm bald mal wieder vorbei.«
Mr. Monster versprach ihr stumm, dass er so bald wie möglich vorbeikommen und Curt besuchen würde.
NEUN
Am Abend des letzten Schultags stand ich im Bad, starrte in den Spiegel und hielt mich am Waschbecken fest. Ein anderer Jugendlicher hätte sich vielleicht selbst begutachtet, sich die Haare gekämmt, Clearasil auf Pickel getupft oder den Kragen glatt gestrichen. Schließlich war dies der Abend, an dem ich mit Brooke ausgehen würde, und darauf wollte ich mich gründlich vorbereiten. Das bedeutete für mich allerdings etwas ganz anderes als für normale Menschen. Ich versuchte nicht, gut auszusehen, sondern bemühte mich, gut zu sein .
»Ich werde keine Tiere quälen«, sagte ich. Den Zettel mit den Regeln beachtete ich nicht, sondern starrte mir selbst unverwandt in die Augen. »Ich werde keinem Menschen wehtun. Wenn ich schlechte Gedanken über jemanden habe, werde ich sie verdrängen und etwas Nettes über ihn sagen. Ich werde keine Menschen es nennen. Wenn jemand mich bedroht, werde ich mich zurückziehen.«
Ich sah mich im Spiegel scharf an und forschte in dem Gesicht, das ich dort erblickte. Wer starrte da zurück? Er sah aus wie ich, er redete wie ich, und sein Körper bewegte sich, wenn ich es wollte. Ich bog mich nach rechts und links, und die Person im Spiegel tat das Gleiche. Das machte mir am meisten Angst, mehr als das Opfer, mehr als der Dämon und noch mehr als die dunklen Gedanken: die Tatsache, dass die dunklen Gedanken meine eigenen waren; dass ich mich von dem Bösen nicht trennen konnte, weil das meiste Böse in meinem Leben aus meinem eigenen Kopf kam.
Wie lange konnte ich noch so weiterleben? Ich war gezwungen, zwei Personen auf einmal zu verkörpern – einen Killer in meinem Innern und nach außen einen normalen Menschen. Oberflächlich gab ich mir große Mühe, ein guter, braver Junge zu sein, der keine Probleme machte und nie in Schwierigkeiten geriet, aber jetzt war das Monster draußen, und ich setzte es sogar ein – ich wollte tatsächlich einen weiteren Killer aufspüren. Ich hatte mich geschlagen gegeben und versuchte,
Weitere Kostenlose Bücher