Mr Monster
es natürlich gut, alles über sie Bekannte aus der Akte des Gerichtsmediziners zu erfahren. Wenn ich nur Forman erreichen und herausfinden könnte, was er wusste …
»Ich bin fertig«, sagte Brooke. »Sie haben gesagt, wir können gehen.«
Ich blickte zu ihr hoch. Sie stand neben mir, die Arme vor dem Bauch verschränkt und eng in ihre dünne Jacke gehüllt. Auf ihren langen Beinen zeichnete sich schon wieder eine Gänsehaut ab, und sie schauderte.
»War es das schon? Wollen sie nicht weiter mit uns reden?«
»Es ist fast Mitternacht, sie haben sich schon seit mehreren Stunden mit uns beschäftigt«, erinnerte mich Brooke.
»Aber sie haben uns noch gar nichts verraten.«
»Das werden sie wohl auch nicht tun«, meinte sie. Sie hob den verkohlten Ast auf und stocherte damit in der Asche herum. Funken flogen auf, als sie die hellrote Glut freilegte.
Ich hielt sie zurück. »Mach es nicht aus!« Mr. Crowley hatte mal zu mir gesagt: Ich lösche ein Feuer nicht gern. Lass es einfach ausbrennen. Im Lauf seines Lebens hatte er mindestens zehn, wahrscheinlich aber noch viel mehr Menschen umgebracht, doch ein Feuer wollte er nicht töten. Wer oder was war er wirklich gewesen?
»Können wir gehen?«, fragte Brooke.
Ich starrte in die dunkle Feuergrube, auf einen Haufen halb verbrannter Holzkohle in einem zwei Meter großen Kreis voller Abfall. Es war groß, mächtig, heiß und prächtig gewesen, hatte sich jedoch früh verausgabt und würde noch Stunden dahinsiechen. Der größte Teil eines Feuers, vielleicht achtzig Prozent, war ein langsamer, schleichender Tod.
»Können wir es noch eine Weile ansehen?«, fragte ich.
Sie stand für einen Moment schweigend im weichen orangefarbenen Licht, dann legte sie den Ast weg und setzte sich neben mir im Schneidersitz auf den Boden.
Wir sahen eine Weile ins sterbende Feuer, bis die Cops den Tatort räumten, das Feuer löschten und uns nach Hause schickten.
Am nächsten Morgen wurde im Fernsehen der Name der Toten genannt. Sie hieß Janella Willis und war acht Monate zuvor irgendwo an der Ostküste verschwunden. Niemand konnte allerdings erklären, warum sie auf einmal tot im Freak Lake gelegen hatte. Meine Schätzung der Todeszeit erwies sich als recht präzise. Gestorben war sie fast genau vierundzwanzig Stunden vor dem Zeitpunkt, als wir sie gefunden hatten, und hatte die meiste Zeit unter dem Baumstamm im See gelegen. Die Polizei und die Reporter gelangten zu der gleichen Schlussfolgerung wie ich: Die Tote war dort abgelegt worden, damit wir sie fänden. Allmählich vermutete ich jedoch, dass noch mehr dahintersteckte. Es lag nahe, dass jemand die Leiche eigens für mich dort deponiert hatte.
Die beiden ersten Leichen hatten an Stellen gelegen, wo man sie leicht finden konnte, die zweite sogar an einem Tatort, der unmittelbar mit den früheren Morden in Verbindung stand. Deshalb wussten wir, dass der Täter uns die Leichen zeigen und uns etwas sagen wollte. Nun war noch eine dritte Tote hinzugekommen, wohlüberlegt nachlässig an einer Stelle versteckt, wo an diesem ganz bestimmten Abend mehr Menschen versammelt waren als an jedem anderen Platz in der Stadt. Offensichtlich wollte der Täter, dass sein Opfer gefunden wurde. Nicht nur das, an diesem Abend hatten sich viele Jugendliche versammelt, und dort würde garantiert auch ich auftauchen. Wenn die Toten Botschaften von einem Mörder an einen anderen waren, dann hatte jemand diese letzte Botschaft praktisch vor meiner Tür abgelegt.
Botschaften vor der Tür … Mir wurde kalt, sobald ich daran dachte. Ich hatte Mr. Crowley eine ganze Reihe von Botschaften hinterlassen und versucht, ihn zu ängstigen und zu verunsichern. Ich wollte ihn aus der Reserve locken und ihm mitteilen, dass er verfolgt wurde. Mit diesen Leichen war es genau das Gleiche. Die erste sagte: Ich bin da. Die zweite, gefunden am Tatort eines früheren Mords, teilte mit: Mit dem, was hier passiert ist, hatte ich zu tun. Und die dritte, hinterlassen an einer Stelle, über die ich praktisch stolpern musste, erklärte offenbar: Ich weiß, wer du bist.
Irgendjemand stellte mir nach.
Die Schule war vorbei, und da ich in den Ferien nicht wusste wohin, hockte ich tagelang in meinem Zimmer und ging die wenigen Indizien durch, die mir bekannt waren. Wenn jemand mir nachstellte, musste ich herausfinden, wer es war und was er wollte. Viel hatte ich nicht in der Hand, aber selbst von einer einzigen Leiche kann man eine Menge lernen, wenn man weiß, worauf
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