Mr Monster
Phantasie, aber zugleich auch jemand anders. Jemand, der real und, ja, sehr berührbar war.
Halt dich einfach an die Regeln.
»Weißt du«, sagte ich, »wenn man dich näher kennenlernt, bist du irgendwie komisch.«
Brooke zog melodramatisch eine Augenbraue hoch. »Du Plan nicht magst?«
»Machst du Witze?« Ich zog ebenfalls das Touristenhemd an und hatte auf einmal das verrückte Gefühl, jemand anders zu sein. So, als hätte ich John Cleaver mit einem Schlag hinter mir gelassen. Jetzt war ich Boris, und Boris hatte nicht die Probleme, die John hatte. »Das ist eine klasse Idee.«
»Gut.« Sie setzte sich eine bunte Plastiksonnenbrille auf. »In Reiseprospekt schöne Sachen über Clayton. Beginnen wir mit örtliche Restaurant: Friendly Burger .«
»Willst du wirklich im Friendly Burger essen?«, fragte ich. »Es gibt viel bessere Lokale.«
»Du nicht wissen«, ermahnte sie mich streng und wackelte mit dem Zeigefinger. »Boris noch nie in Clayton gewesen.«
Ich lehnte mich zurück und starrte sie an. Sie wollte das wirklich durchziehen und bestand darauf, die Regeln ihres Szenarios streng einzuhalten. Na gut, konnte sie haben. Was lächerliche Regeln anging, war ich der Experte.
»Wenn ich noch nie hier war«, widersprach ich, »dann weiß ich nicht, wohin wir jetzt fahren müssen.«
Mit einem triumphierenden Lächeln zog Brooke einen Stapel Papiere aus der Tasche.
»Macht nix«, sagte sie. »Habe Karten aus Internet heruntergeladen.«
Lachend ließ ich das Auto an, und sie las die Karten und gab mir Anweisungen. Wir folgten ihnen buchstabengetreu und taten so, als wüssten wir rein gar nichts über den Ort. Mit einer nur geringfügigen Verzögerung trafen wir beim Friendly Burger ein. Kaum hatten wir das Auto abgestellt, sprang Brooke hinaus, schnappte sich eine Frau auf der Straße und drückte ihr den Fotoapparat in die Hand.
»Mein Freund und ich von weit weg diese Stadt besuchen«, sagte sie. Den russischen Akzent hatte sie wirklich drauf. »Du machen Foto?« Die Frau glotzte sie erschrocken an, dann nickte sie unsicher. Brooke und ich stellten uns vor das in Wind und Wetter verschlissene Schild des Friendly Burger und zeigten blöde grinsend darauf, damit die Frau uns knipsen konnte. Brooke bedankte sich bei ihr, nahm die Kamera wieder an sich und wiederholte drinnen das Spiel. Die Leute fotografierten uns an der Theke, vor der Speisekarte und sogar vor der klapprigen alten Modelleisenbahn, die an der Wand ringsherumlief. Staunend sah ich zu, wie sie mühelos mit den Leuten ins Gespräch kam und sie verwirrt, aber fröhlich zurückließ. Schließlich bestellte sie »zwei käsige Bürger mit Fritzen«, und wir setzten uns und aßen. Ich biss hinein, spürte das Fleisch auf der Zunge und lächelte.
»Restaurant gefällt mir«, bemerkte sie, als sie an einem Stück Pommes frites knabberte. »Ist gut amerikanisch Essen. Macht uns dick wie Amis.«
Wenn sie kaute, schwollen ihre Halsmuskeln leicht an und entspannten sich wieder, glitten sinnlich unter der Haut auf und ab.
»Was kommt als Nächstes?«, erkundigte ich mich.
»Wir gehen anderswo«, sagte sie. »Wo Touristen gehen hin, wenn besuchen Stadt. Amtsgericht. Schuhmuseum.«
»Oh, ein Schuhmuseum!« Über diesen Einfall musste ich grinsen. Das Schuhmuseum war im Grunde nur das Wohnhaus eines verrückten Typs, der im Lauf seines Lebens Regal auf Regal mit Schuhen und anderen Dingen gefüllt hatte, die mit Schuhen zu tun hatten. Eine dieser unzähligen Einrichtungen im Herzen Amerikas, die vom Kitsch lebten. Wer hier wohnte, amüsierte sich eher darüber, aber es war tatsächlich die einzige Touristenattraktion in Clayton, und es machte sicher Spaß, das Haus mit Brooke zu besuchen. Ich stellte mir vor, wie sie atemlos Fotos von den ausgestellten Schuhen machte und so tat, als staune sie über alles, was sie sah. Wieder lächelte ich.
»Wir Touristen«, erklärte sie mit Unschuldsmiene. »Tafel an Highway sagt: Besuche Schuhmuseum. Also wir besuchen Schuhmuseum.«
»Super«, stimmte ich zu. »Oder was sagt man noch gleich in Russland, wenn man etwas cool findet? Sputnik.«
Sie lachte. »Sputnik?«
»Das heißt cool auf Russisch«, erklärte ich. »Eigentlich ist der Name des Satelliten durch Zufall entstanden. Sie haben ihn gebaut und betrachtet und dabei gesagt: ›Sputnik!‹ So ist der Name entstanden, und seitdem ist es ihnen peinlich.«
Lachend schüttelte Brooke den Kopf. »Du wolltest natürlich sagen, dass es seitdem uns peinlich
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