Mr Monster
Auch seine Stimme klang angespannt. »Was willst du denn hier?«
»Was tun Sie hier?«, entgegnete ich. »Sind Sie am Tatort schon fertig?«
»Nein, nein.« Er schüttelte den Kopf. »Die Abteilung ist noch im Einsatz, wahrscheinlich bleiben die Leute die ganze Nacht draußen. Willst du etwas Bestimmtes von mir?«
»Äh, ja«, antwortete ich. »Allerdings habe ich nicht damit gerechnet, Sie hier zu treffen.«
»Warum bist du dann gekommen?«
»Sie müssen mir etwas über die Leiche erzählen.« Ich setzte mich.
»Warum?« Er runzelte die Stirn. »Warum sollte ich gerade dir etwas erzählen? Du bist kein Cop.« Während er sprach, ließ seine Erschöpfung nach. Er saß nun aufrecht und wirkte konzentriert, seine Stimme klang fest. »Vielleicht kann ich dir helfen.« Er lehnte sich zurück und musterte mich aufmerksam. »Denk für mich über etwas nach, das hilft uns beiden, wachsam zu bleiben. Warum hat der Clayton-Killer seine Opfer getötet?«
»Glauben Sie, es ist der Clayton-Killer? Das passt doch gar nicht zusammen«, widersprach ich.
»Nein, keineswegs«, antwortete Forman. Er studierte wieder die vor ihm liegende Akte. »Allerdings glaube ich, dass es einen Zusammenhang gibt. Nun sag mir: Warum hat der Clayton-Killer getötet?«
Das war leicht zu beantworten. Kriminologie, Einführungskurs. »Wie detailliert soll ich antworten?«, fragte ich. »Ganz platt gesagt – Serienmörder töten, weil sie ein Bedürfnis verspüren, und das Töten befriedigt dieses Bedürfnis.«
»Gut.« Forman las weiter in der Akte. »Was hat der Clayton-Killer gebraucht?«
»Warum fragen Sie das mich?«
»Wie gesagt, damit wir wachsam bleiben.«
»Warum wir ? Warum sollen wir wachsam bleiben?«
»Willst du etwa nicht höchst aufmerksam sein?« Er blickte zum Fenster, als könne er die Jalousien und die Nacht durchdringen. »Du bist ein ausgesprochen kluger junger Mann«, sagte er. »Du kommst auch selbst drauf.«
Jedes Mal, wenn ich Forman begegnete, zeigte er mir ein neues Gesicht. Er war misstrauisch, distanziert, nervös. Was war es jetzt? Wachsam? Was hatte das überhaupt zu bedeuten?
»Der Clayton-Killer hat sich Körperteile angeeignet«, erklärte ich. »Also könnte man ganz einfach sagen, dass er Körperteile brauchte. Gewöhnlich steckt aber noch mehr dahinter.«
»So ist es«, murmelte Forman. Er blickte unverwandt zum Fenster, schloss nun aber die Augen, als wolle er meditieren.
»Der klassische Serienkiller ist auf Kontrolle aus«, fuhr ich fort, während ich Forman genau beobachtete. Ich war nicht einmal sicher, ob er zuhörte. »Er hat Menschen getötet und ihnen Körperteile weggenommen, das ist eine Art und Weise, sie zu beherrschen. Deshalb behalten viele Serienmörder Erinnerungsstücke zurück. So üben sie selbst dann, wenn ihre Opfer längst tot sind, noch ein gewisses Maß an Kontrolle aus.«
»Du meinst also, dem Clayton-Killer sei es darauf angekommen, die Menschen zu beherrschen.«
Darauf fiel mir keine Antwort ein. Ich durfte Forman ja nicht verraten, wie viel ich tatsächlich wusste. Ich musste denken wie er, und das bedeutete, dass ich nur in Zusammenhängen denken durfte, die ihm bekannt waren. Alles andere musste außen vor bleiben. Er wusste nicht, dass Mr. Crowley der Mörder gewesen war, und ihm war nicht klar, dass Crowley ein Dämon gewesen und längst tot war. Aus seiner Sicht trieb sich der Clayton-Killer immer noch irgendwo da draußen herum.
Allerdings hatte Forman in der Vergangenheitsform über den Killer gesprochen.
»Sie glauben, dass der Clayton-Killer tot ist«, sagte ich.
Forman stand auf und trat an die Landkarte, fuhr mit dem Finger an gewissen Straßen entlang und hielt manchmal inne, um auf einen farbigen Pin oder eine Bleistiftmarkierung zu tippen. Mich beachtete er überhaupt nicht.
»Sie glauben, der Clayton-Killer sei endgültig weg«, sagte ich etwas lauter. »Sie reden über ihn, als sei er tot und als gebe es keine Zweifel. Was wissen Sie?«
»Du machst das gut«, lobte er mich, ohne den Blick von der Karte zu wenden. »Konzentrier dich weiter.«
»Warum glauben Sie, es gebe eine Beziehung zwischen den Opfern, wenn Sie andererseits sicher sind, dass der Killer tot ist?« Er schwieg. »Gibt es einen zweiten Killer, der ihn nachahmt? Ist da draußen ein … ein ähnlicher Killer unterwegs?«
Jetzt wandte er sich zu mir um. »Ein ähnlicher Killer?«
Ich meinte damit einen anderen Dämon, aber das konnte ich nicht aussprechen. »Ein Organdieb«,
Weitere Kostenlose Bücher