Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mr Monster

Mr Monster

Titel: Mr Monster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
Vom Netzwerk:
gefasst, wie eine Totenmaske. Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt.
    »Ich habe mein Leben lang Leute wie dich studiert, John, und ich weiß ganz genau, was in dir vorgeht.« Forman war hinter mir, doch seine Stimme erfüllte den ganzen Raum. »Du träumst davon, Menschen zu verletzen. Du quälst Tiere. Du reißt Fliegen die Flügel aus. Mehr ist sie nicht, John – nur eine Fliege, ein Insekt. Sie ist ein Nichts. Schneid sie!«
    Sie starrte mich an, die Augen geweitet und der Blick nicht mehr ganz so fest. Sie hatte angenommen, ich sei auf ihrer Seite, und jetzt bekam sie Zweifel. Sie fürchtete sich ein wenig vor mir.
    Irgendwie war die Klinge des Taschenmessers in meiner Hand aufgeklappt. Ich hob es und betrachtete das Licht, das sich im Metall spiegelte und wie Honig über die Schneide tropfte.
    Das Messer fühlte sich … richtig an. Vergiss alles, denn der bist du wirklich: ein Mann mit einem Messer, gefürchtet und respektiert. Du hast die Freiheit, alles zu tun, zu sagen und zu sein, was immer du willst. Vor Monaten hatte ich mich schon einmal in einer solchen Situation befunden und hatte auf genau diese Weise ein Messer gehalten. Vor mir hatte sich meine Mutter vor Angst gewunden, und ich hatte die Macht gehabt zu tun, was immer ich wollte. Ich war ein Gott gewesen, genau wie Forman ein Gott gewesen war, und das hatte ich alles weggeworfen. Warum nur? Nur um mich in eine schlecht sitzende Verkleidung zu zwängen und den Rest meines Lebens mit einer quälenden Lüge zu leben? Nur damit ich die Tage in Einsamkeit und die Nächte mit einem verlorenen Kampf gegen mein eigenes Wesen verbrachte? Sechzehn Jahre hatte ich damit verschwendet, jemand sein zu wollen, der ich nicht war, und die ganze Zeit über die falsche Frage gestellt.
    Statt Wie lange kann ich das noch aushalten? hätte die Frage lauten müssen: Warum soll ich das überhaupt noch länger aushalten?
    Radha erkannte es – eine Veränderung in meinem Blick, in meiner Körperhaltung oder in den Bewegungen meiner Hände. Sie wusste, dass ich es tun würde. Sie hatte Angst. Sie wusste, wie heftig ich sie zu schneiden, zu öffnen, kreischen zu hören begehrte. Nur für mich.
    Für mich? Oder für Mr. Monster?
    Seit Tagen hatte ich nicht mehr an Mr. Monster gedacht. Er hatte sich in mir ausgebreitet wie eine Infektionskrankheit und war gewachsen, und doch hatte ich keinen Gedanken mehr an ihn verschwendet, seit … seit ich im Lagerhaus die Katze umgebracht hatte. Danach war er nicht wieder in den Hintergrund getreten, sondern mit meinem Bewusstsein verschmolzen, bis ich mich vollends in ihn verwandelt hatte. John dagegen war praktisch verschwunden.
    Ich hob das Taschenmesser und starrte die Schneide an. So viele Möglichkeiten, so viele Klingen und Werkzeuge: ein Dosenöffner, eine Säge, ein Korkenzieher. Ich wollte sie alle ausprobieren. Radha sollte sich unter mir anspannen, wenn ich ihr das Messer in den Rücken trieb, ich wollte ein schmerzliches Wimmern hören, leise und voller Angst. So war ich eben.
    Aber so wollte ich nicht sein.
    Ich setzte einen Finger auf den Rücken der Klinge und klappte das Messer langsam zusammen. Sie rastete ein.
    »John …«, sagte Forman langsam. Was empfing er jetzt von mir?
    Ich hielt das Taschenmesser fest in der Faust und sah Radha tief in die Augen. Trotzdem konnte ich sie nicht genau betrachten, denn mein Blick schien sich zu trüben, und alles verschwamm vor mir. Ich weinte und ließ das Messer fallen, und als es fiel, zerriss es mir die Seele und schnitt Mr. Monster aus mir heraus wie ein riesiges Geschwür. Ich war verletzt, ich war zerbrochen, aber ich war wieder ich selbst.
    »Du bist ein Narr.« Dann schlug Forman mich wieder, versetzte mir einen wuchtigen Hieb auf den Hinterkopf, der mich auf der Stelle zu Boden schleuderte. Radha fing mich auf und federte in der Hocke meinen Sturz ab. Hinter mir fluchte Forman erbost, und ich hörte ein lautes, metallisches Klicken.
    »Du Narr«, sagte Forman. »Du dummer, kranker Narr. Glaubst du, ich könnte dir nichts tun? Frag doch deine neue Freundin, wie schön es in der Grube ist.«
    Ein lautes Kreischen ertönte, und Radha zog mich näher an sich heran, ein Stück weiter weg von Forman. Etwas Schweres fiel mir auf den Fuß und quetschte mir die Zehen. Eine schwere Planke war daraufgefallen. Forman hatte die drei Fässer aus der Ecke weggezogen und die Bretter hochgehoben. Darunter tat sich ein großes Loch im Beton auf, in dem ich nichts als Schwärze

Weitere Kostenlose Bücher