Mr Nanny
ab, die das Papier zusammenhielt, in das das Hemd eingeschlagen war. Dieses Papier war dick und edel, samtig auf der einen, glatt und glänzend auf der anderen Seite. Es raschelte laut, als er es aufriss und ein gelbweiß gestreiftes Hemd enthüllte. Klassisch britisch und genau das, was jeder andere erfolgreiche Anwalt trug, den wir kannten.
Aber dafür hatte ich heute wirklich keine Geduld. Ich verschwand, um mir einen Kaffee zu holen.
»Jamie! Lauf doch nicht weg! Du hast ja noch nicht mal...«
»Gleich!«
Ich kam mit einer dampfenden Kaffeetasse in der Hand und der Zeitung unter dem Arm wieder zurück.
»Die Kinder sind aufgewacht. Ich gebe dir zwei Minuten für deine kleine Modenschau.«
»Warte, ich bin noch nicht so weit.«
Ich ließ mich in den Sessel in der Zimmerecke sinken und begann, die Schlagzeilen zu lesen.
»Mann, sieh dir das an!«, rief Phillip entzückt und hüllte seinen eins neunzig großen Luxuskörper in den teuren Stoff. Ein paar feuchte blonde Locken ringelten sich über den Hemdkragen, und er strich seine welligen blonden Haare zurück, glättete sie mit den Handflächen. Dabei gluckste er zufrieden in sich hinein und summte fröhlich vor sich hin.
Als er das Hemd zugeknöpft hatte, sagte ich: »Sehr hübsch, Phillip. Guter Stoff. Eine gute Wahl.«
Ich vertiefte mich wieder in meine Zeitung, nahm jedoch aus den Augenwinkeln wahr, wie er mit federndem Schritt zu seiner Mahagonikommode ging und in einem Silberpokal kramte, den er einst bei einer Segelregatta seiner Highschool gewonnen hatte. Er wählte drei Paar Manschettenknöpfe aus und reihte sie auf der Kommode auf. Dieses kleine Ritual war erst entstanden, als er genug verdiente, um sich mehr als ein Paar wirklich gute Manschettenknöpfe leisten zu können. Er entschied sich für seine ganz besonderen Lieblinge: die Goldkugeln von Tiffany mit den aufgesetzten blauen Lapislazulisteinen.
»Na gut, Schatz.« Ich warf meine Zeitung auf den Tisch und ging zur Tür. »Dann sind wir hier fertig, oder? Ich sollte jetzt wirklich...«
Eine dunkle Sturmwolke hatte sich wie aus dem Nichts über seine heitere Miene gelegt. »Mist!« Offenbar stimmte mit dem Hemd etwas nicht. Phillip versuchte erregt, die Manschettenknöpfe durch die zu klein geratenen Knopflöcher zu zwängen.
Was ihm nicht gelang. Und ihn, nun ja, ausgesprochen wütend machte.
Er zog das gelb gestreifte Hemd aus, und seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
Unsere fünfjährige Tochter Gracie kam herein und rieb sich verschlafen die Augen. Sie schlang die Arme um eins seiner langen Beine.
»Prinzesschen, nicht jetzt. Daddy hat dich furchtbar lieb, aber nicht jetzt.« Er scheuchte sie zu mir, und ich nahm sie auf den Arm.
Phillip ging, diesmal nicht mit federndem Schritt, zum Bett zurück und wickelte ein zweites Hemd aus, diesmal eins mit lavendelblauen Streifen. Er hielt kurz inne und holte ein paar Mal schnaufend Luft, wie ein Matador, der sich innerlich darauf vorbereitet, den Stier bei den Hörnern zu packen. Er hielt das gestärkte Hemd hoch und schaute es mit zur Seite geneigtem Kopf an, wie um zu demonstrieren: Ich denke positiv. So stand er da, in himmelblauen Oxford-Boxershorts, weißem T-Shirt und anthrazitfarbenen Socken, und tauchte mit angehaltenem Atem ins nächste brandneue Hemd. Aber ach, der zweite Versuch, seine Tiffany-Manschettenknöpfe durch die Löcher zu bekommen, scheiterte ebenfalls. Unser Wheaton-Terrier, Gussie, kam hereingedackelt, setzte sich auf die Hinterbeine und neigte den Kopf zur Seite, so wie Phillip vorhin.
»Nicht. Jetzt. Gussie. RAUS!« Der Hund neigte den Kopf auf die andere Seite, rührte sich aber ansonsten nicht von der Stelle.
Ich lehnte mich, Gracie auf dem Arm, an den Rahmen der Schlafzimmertür und musste mir auf die Lippe beißen, um ernst zu bleiben.
Dritte Generation Exeter. Harvard. Harvard-Anwälte besitzen nicht gerade eine hohe Toleranzschwelle gegenüber den kleinen Widrigkeiten des Lebens. Besonders nicht jene wie Phillip, die in der Park Avenue geboren und aufgewachsen waren. Kindermädchen hatten sie erzogen, Köche hatten sie bekocht, Türsteher ihnen stumm die Tür aufgehalten. Menschen wie Phillip konnten, ohne mit der Wimper zu zucken, dreißig Millionen Dollar für ihren Klienten erstreiten oder verlieren, aber Gott bewahre, wenn nach einer Dinnerparty der Chauffeur nicht pünktlich bereitstand. Das Problem mit meinem Mann ist, dass seine Reaktionen in solchen Fällen in keinerlei Verhältnis
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