Mr. Pattapu und das Geheimnis des alten Hauses
sie beide todmüde ins Bett sanken. Sekunden später war
nur noch ein Schnarchen aus Stanleys Mund zu hören.
Melody hatte die Ankunft eines Wagens vom Küchenfenster aus zwar bemerkt, doch als sie
feststellte, dass es sich nicht um Rosie und Henry handelte, ignorierte sie das kanadische
Ehepaar und versuchte, wieder einzuschlafen.
Aus der Speisekammer drang ein leises Knuspern, Rascheln und Kauen. Das war Lola bei
einem Mitternachtssnack. Melodys Magen knurrte dagegen immer lauter. In der Aufregung
hatte Rosie ganz vergessen, den Futternapf wieder aufzufüllen. Die silbergraue Katze sprang
auf den Küchenschrank und prüfte, ob irgendwo noch etwas Essbares zu finden war.
Fehlanzeige! Ein paar Stangen Suppengrün, Äpfel und eine Zitrone entsprachen nicht ihrem
Geschmack.
Auch das noch! Sie würde tatsächlich dieses ungezogene Rattenmädchen um Hilfe bitten
müssen! Nie hätte sie gedacht, dass sie einmal so weit sinken würde, eine Ratte um
Katzenfutter anzubetteln! Sie ging mit zögernden Schritten auf die Speisekammer zu, die
direkt an die Küche angrenzte. Melody legte ihr Ohr an die Türe. Von drinnen waren immer
noch Geräusche zu hören. Ganz klar: diese Lola ließ es sich wieder einmal gut gehen,
während sie hier vor lauter Hunger das Holz annagen konnte!
„Hey, Lola!“, rief Melody. Das Kauen und Knuspern hörte kurz auf, begann aber bald darauf
von Neuem.
„Looooola!“ Melody wurde ungeduldig.
„Wieso störst du mich beimAbendessen?“, kam Lolas piepsige Stimme durch die Türe.
„Weil ich auch g
erne etwas zu Abend essen würde! Keiner hat an mich gedacht. Ich könnte
wetten, dass Mr. P. sich bereits den Bauch vollgeschlagen hat. Diese blöden Donuts werden
sich bestimmt nicht um mich kümmern und wenn ich nicht bald was zu Futtern kriege, könnte
ich mich vergessen!“ Der letzte Satz klang bereits wie eine Drohung.
Lola schien drinnen kurz zu überlegen. Der Gedanke, gemeinsam mit einer hungrigen Katze
in einem Haus zu leben, behagte ihr ganz und gar nicht. Und wer wusste, wann Rosie und die
anderen wieder kamen!
„Spring auf die Klinke!“ rief sie jetzt der Katze draußen zu.
„Was soll ich?“
„Auf die Klinke springen! Die Speisekammer ist nie abgeschlossen.“
Auch das noch! Welche Mühen für eine adelige Lady wie sie! Dennoch: Melody nahm
Anlauf und sprang. Mit den Vorderpfoten klammerte sie sich an die Klinke, die herunter glitt
und die Türe öffnete.
Gut zu wissen! Manchmal sind Ratten doch zu mehr zu gebrauchen als zum Fressen, dachte
Melody zufrieden.
Vorsichtig betrat die elegante, graue Katze das ihr unbekannte Gelände hinter der Türe. Der
Raum besaß kein Fenster, so dass es durch die ständige Dunkelheit hier drin recht kühl war.
In der Kammer verstaute Rosie ihre Einweckgläser mit Früchten und Gemüse und die
Getränkeflaschen. An den Haken in der Decke hingen Würste und ein Schinken herunter.
Eine kleine, halbvolle Milchkanne stand in der Ecke. Das Huhn vom Vortag lag noch mit
einem Handtuch abgedeckt in einem Topf in einem der Regale.
Genau das Richtige ! Melody lief das Wasser im Munde zusammen. Ohne zu zögern sprang
sie auf das Regal und zog das Handtuch vom Topf. Dann schlug sie genießerisch ihre Zähne
in das gebratene Huhn. Lola beteiligte sich an dem reichlichen Mahl, ohne zu fragen.
Am nächsten Morgen erwachte Stanley Donut von dem Hämmern in seinem Kopf und Mary
Donut durch das Hämmern an der Haustüre. „Welcher Trottel klopft denn so unverschämt
laut am frühenMorgen?“, stöhnte sie und wollte sich gerade noch einmal in ihrem Bett herum
drehen, als der Türklopfer schon wieder betätigt wurde.
„Verdammt! Wieso macht diese dumme Rosie denn nicht endlich die Türe auf!“
Ihr Mann neben ihr auf dem Bett brummte daraufhin etwas Undeutliches und stülpte das
Kopfkissen über seine Ohren.
Müde stand Mary Donut auf, bemerkte, dass sie noch vollständig angezogen war und
schlüpfte in ihre Hausschuhe. Sie verließ das Schlafzimmer und ging langsam in Richtung des
Foyers. Dabei versuchte sie noch hektisch, ihre zerrupfte Frisur zu ordnen.
Wehe, wenn das nur der Postbote oder der Milchmann ist!
Es war nicht der Postbote. Zwei Männer in dunklen Anzügen standen draußen und zwei
weitere in Polizeiuniformen warteten bei einem großen Wagen, der unten an den Stufen, die
zum Haus hinaufführten, stand.
„Sie wünschen?“, fragte Mary Donut verdutzt.
„Sind Sie Mary Donut?“
Die Frau an der Türe
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