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Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition)

Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition)

Titel: Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.J. Hartley
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altertümlichen Gaslaternen gesäumt, durch das sterbende Land führte. Zahlreiche weitere, ebenso gerade Wege kamen von anderen Richtungen, anderen Toren, und sie alle führten zur Ratskammer, als sei das Gebäude die Mitte eines riesenhaften Kompasses.
    »Alles kommt von hier«, grübelte Darwen laut. »Das hier ist das Zentrum, das alles zusammenhält.«
    »Keine Vögel«, bemerkte Rich, der sich umsah. »Keine Kaninchen. Gar nichts.«
    Der Weg endete an einer steinernen Treppe. Die drei stiegen hinauf, aber oben angekommen zögerten sie. Sie sahen einander an und blickten auf das Tal, das nun unter ihnen lag. Die Stille und das Gefühl großer Einsamkeit waren seltsam.
    »Wieder eine Geisterstadt«, sagte Alexandra.
    Darwen ging unter einem Torbogen hindurch und betrat einen steinernen Flur mit reich verzierten Säulen. Die Wände waren aufwendig mit lackiertem Holz vertäfelt und mit Messingintarsien versehen, die möglicherweise Armaturen darstellten, vielleicht aber auch nur als Schmuck dienten.
    »Was war das?«, fragte Rich, der in eines der schattenumlagerten Gewölbe hineinblickte, die vom Flur abgingen.
    »Was denn?«, fragte Alexandra. »Ich hab nichts gesehen.«
    Rich spähte weiter in den düsteren Durchgang, zuckte aber dann die Achseln.
    »Wahrscheinlich gar nichts«, sagte er. »Vielleicht nur eine optische Täuschung.«
    Darwen durchquerte einen Kreis steinerner Portale, die dumpf summten, dann wieder einen Torbogen, der so breit war, dass er beinahe als Tunnel durchging, und dann …
    Dann öffnete sich zu seinen Füßen plötzlich ein riesiger Raum, ähnlich einem Sportstadion oder Theater. Stufen führten zu einer kreisrunden Fläche hinunter, um die herum zwölf steinerne Throne angeordnet waren. In der Mitte befand sich etwas, das wie ein Becken voll purpurnem Wasser aussah, überwölbt von einer flachen, durchsichtigen Kuppel, die an eine Schneekugel erinnerte. Ein sanfter, leicht flackernder Schimmer umgab die Kugel, als sei eine Lampe auf geringste Leuchtkraft eingestellt und kurz vor dem Erlöschen.
    Darwen rannte die Stufen hinab. Unten angekommen wandte er sich sofort zu dem großen Kreis der steinernen Sitze und ging ganz nahe an die Kuppel mit dem gedämpften, flüssigen Licht darunter.
    Das Becken flackerte und funkelte, und Darwen erschrak, als er erkannte, dass es auf irgendeine Art lebte. Es war kein Tier – jedenfalls glaubte er das nicht –, aber es war eine Energie, und obwohl er nicht sagen konnte, wieso er das wusste, war er sich doch sicher, dass es ein Bewusstsein besaß. Vielleicht konnte es sogar denken.
    Aber es lag auch im Sterben.
    Vorsichtig legte Darwen eine Hand auf die Kuppel. Sie fühlte sich warm an, und dort, wo seine Handfläche sie berührte, schien das Becken darunter kurz tiefrot zu pulsieren, bevor es dann wieder schwächer wurde. An einigen Stellen war das purpurne Glühen bereits ausgebrannt wie ein geschwärzter Kerzendocht.
    »Die Wächter«, hauchte Rich. »Sieh doch mal!«
    Darwen folgte seinem Blick zu dem Kreis steinerner Thronsitze. Die Armlehnen waren aus dunklem Holz gefertigt und wiesen Schaltknöpfe aus Messing und Silber auf, zudem war je ein Namensschild aus Kupfer angeschraubt. Auf den Thronen saßen Männer und Frauen, still und schweigend, die Köpfe zurückgelehnt, die Augen geschlossen. Sie alle waren bleich und bedeckt mit etwas, das wie Staub aussah. Spinnweben spannen sich über ihre uralten, edlen Gesichter.
    »Sie sind nicht tot«, sagte Alexandra, die neben einem Mann stand, dessen langes, silbernes Haar sich über seinen Schultern teilte und über eine vergilbte Robe fiel, die früher einmal weiß gewesen sein mochte. »Sie schla fen!« Überraschung lag in ihrer Stimme. »Ich kann sie atmen hören! Lauscht doch mal!«
    Doch bevor Rich und Darwen das tun konnten, beugte sie sich über den Thron und rief: »Hey! Wachen Sie auf! Es gibt Dinge, die Sie sich unbedingt ansehen müssen!«
    Sie schüttelte ihn, und obwohl das Becken in der Saalmitte daraufhin schwach pulsierte, rührte sich der Wächter nicht.
    »Es fehlt jemand«, bemerkte Rich.
    Das stimmte. Zwei Plätze von Alexandra entfernt war ein leerer Thron. Der Name auf der Kupferplatte lautete: »Greyling«.
    »Setz dich drauf«, schlug Alexandra vor. »Dann werden wir ja sehen, was passiert.«
    Rich warf einen kurzen Blick auf die schlafenden Wächter auf den anderen Thronen.
    »Kommt nicht infrage«, erklärte er.
    »Gut«, sagte Alexandra und ging zu dem leeren Thron.

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