Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition)
wusste, was das für ein Schädel war, weil ihn nämlich solche Wesen vor zwei Nächten noch gejagt hatten? Man konnte von niemandem erwarten, dass er das glaubte, schon gar nicht von Rich, der eine sehr enge Definition von Realität hatte, und Darwen musste sich die wenigen Freunde erhalten, die er hatte.
Zögernd griff Rich in eine Tasche und holte einen kleinen Pinsel hervor. Er beugte sich über den Schädel, holte tief Luft und fing an, ganz vorsichtig die Erde von den Knochen zu bürsten. Dort, wo der Ton kleben blieb, kratzte Darwen ihn mit der Spitze einer kleinen Kelle ab. Es war eine langwierige, mühsame Arbeit, aber nach zwanzig Minuten hatten sie den ganzen Kopf, die Brust und den linken Arm freigelegt.
Es war groß – sogar noch größer, als sie zuerst gedacht hatten –, und einige der Zähne waren fast zehn Zentimeter lang. Die Schultern waren breit, die Arme lang und kräftig. Richs Gorilla-Vergleich hatte etwas für sich, aber nicht nur die Schutzbrille deutete darauf hin, dass es sich hier unmöglich um einen Affen handeln konnte.
Das Geschöpf trug ganz eindeutig einen Ledermantel mit einem Gürtel und Messingknöpfen, auch wenn das Kleidungsstück schon sehr verrottet war. Als Darwen weiter unten in der Tonerde herumstocherte, brachte er noch mehr Leder zum Vorschein: Schnürstiefel mit Metallbolzen in den Sohlen.
Rich beugte sich über das Gerippe, um einen der Knöpfe zu fotografieren, da hielt er plötzlich inne und sagte: »Guck dir das mal an.«
In dem Mantel befand sich ein sauberes Loch, das nicht nach Verfall aussah. Rich hob das Lederstück vorsichtig hoch, um die Rippen darunter bloßzulegen, nahm dann eine lange Pinzette und tastete damit in der Erde, die darunterlag.
»Was ist denn?«, fragte Darwen.
»Warte noch«, sagte Rich und zog mit konzentriertem Gesicht die Pinzette durch das Erdreich. Dann holte er vorsichtig eine Metallkugel hervor, die schimmerte, als er die Erde abrieb.
»Das hier«, erklärte er, »ist eine Musketenkugel aus dem achtzehnten Jahrhundert – von der Art, wie sie gegossen wurden, bevor die zugespitzten Projektile aufkamen. Was auch immer das hier für ein Wesen ist«, er warf wieder einen Blick auf den Schädel, »es wurde erschossen. Vor ziemlich langer Zeit.«
Sie arbeiteten zehn Minuten lang weiter, und Rich brachte noch zwei Musketenkugeln zum Vorschein. Sie machten Fotos, und weil Darwen darauf bestand, schippten sie am Schluss eine dünne Schicht trockner Tonerde über das Skelett, gerade ausreichend, um ihren Fund vor neugierigen Blicken zu schützen. Dann deckten sie die Ausgrabungsstelle mit blauer Folie ab, die sie mit Holzpflöcken auf dem Boden befestigten. Als Mr. Iverson zu ihnen hinüberkam und sie daran erinnern wollte, dass Zeit zum Einpacken sei, waren sie schon fertig.
»Alles klar, Jungs?«, fragte er. »Heute irgendetwas Auffälliges entdeckt?«
»Nö«, murmelte Rich und sah zu Boden. »Was ist mit dem Direktor?«
»Du meinst, ob er seine Meinung geändert hat?«, fragte Mr. Iverson, dessen Lächeln verblasste. »Leider kommt das nicht sehr oft vor. Wir werden mit dem zurechtkommen müssen, was wir haben. Vielleicht eines Tages …« Er lächelte, aber er machte keinen besonders hoffnungsvollen Eindruck.
»Wollen Sie damit sagen«, fragte Rich, der Darwens Blick mied, »wenn wir etwas Interessantes oder Wichtiges fänden, dann würde er es sich vielleicht überlegen?«
»Das hinge sicher davon ab, was es ist. Direktor Thompson hat sehr klare Vorstellungen davon, was die Hillside-Schule darstellen soll. Wenn er der Auffassung wäre, dass eine Ausgrabung auf unserem Gelände zum Ansehen der Schule beitrüge, dann würde er es sich vielleicht wirklich überlegen. Aber falls er dächte, dass damit möglicherweise auch Probleme verbunden sein könnten …« Er verstummte. »Wieso fragst du?«
Darwen sah Rich aus dem Augenwinkel an. Der massige Junge zuckte die Achseln und sah zu den alten Zypressen hinüber, die die Schule umringten. »Nur so«, sagte er schließlich.
Rich war ganz offensichtlich nicht glücklich darüber, dass sie Mr. Iverson nicht die Wahrheit sagten, doch er und Darwen wussten, was Jungen immer wissen: Wenn sie den Erwachsenen von einer wichtigen Sache erzählten, dann würden die sofort alles an sich reißen.
Auch Rich wollte seinen Fund nicht den Lehrern und Experten überlassen, obwohl Darwen nicht wusste, wie lange sie diese Sache würden geheim halten können. Einen Tag? Zwei?
Er hatte sich ein
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