Mr. Peregrines Geheimnis: Roman (German Edition)
neuen Tore, die sich die Schrubbler bauen, gar keine Spiegel mehr benötigen? Wenn sie sich vielleicht einfach so, an einem beliebigen Ort öffnen können?«
»Die Armee würde die Schrubbler aufhalten«, sagte Rich, der allerdings nicht besonders überzeugt klang.
»Wie denn?«, hakte Alexandra nach. »Wie willst du Ungeheuer besiegen, die aus einer Wand kommen oder plötzlich in deinem Panzer erscheinen, und dann wieder verschwinden, sobald du mit deiner Knarre zielst?«
Rich erwiderte nichts.
»Wir können sie in dieser Welt nicht bekämpfen«, meldete sich nun auch endlich Darwen zu Wort, der leise, aber so bestimmt sprach, dass die beiden anderen innehielten und ihn ansahen. »Wir müssen sie in ihrer Welt schlagen. Dort stehen die Maschinen. Wir müssen sie daran hindern, ihre eigenen Tore zu bauen und hierher durchzudringen.«
»Aber wie?«, fragte Rich.
Darwen zuckte die Achseln.
»Ich weiß nicht«, sagte er und stand auf. »Aber ich muss es versuchen.«
Rich nickte feierlich.
»Und du hast es versprochen«, erinnerte Alexandra, »und zwar stellvertretend für uns alle. Hey, wir sind sozusagen ein Club! Die Liga der Spiegelverteidiger. Nein, das passt nicht ganz. Es ist kein Club, sondern eher eine Mission. Eine Verantwortung, die wir übernehmen. Warte mal. Ja, jetzt hab ich’s. Wir haben den Peregrine-Pakt geschlossen!«
Darwen fuhr mit dem Bus zum Krankenhaus, wo er überhaupt nur deshalb hineingelassen wurde, weil Officer Perkins noch auf der Station war und am Empfang den Papierkram erledigte. Der Mann vom Sicherheitsdienst des Krankenhauses wollte Darwen zunächst alle möglichen Fragen stellen, aber der Polizist hob beschwichtigend die Hand.
»Er ist der Neffe von dem alten Herrn«, erklärte er, sah Darwen dabei aber kritisch an. Ganz offensichtlich verstanden sich der Polizist und der Sicherheitsmann ohne Worte: Hier waren sie mit Darwen wegen seines »Onkels« nachsichtig, aber außerhalb des Krankenhauses würden sie ihn misstrauisch im Auge behalten. Darwen nickte ihnen dennoch dankbar zu und ging ins Krankenzimmer.
Ein Blick auf den alten Ladenbesitzer und sein Mut sank. Mr. Peregrine war an verschiedene Monitore und Geräte angeschlossen, und obwohl er selbstständig atmete, ließ er nicht erkennen, dass er Darwens Anwesenheit überhaupt bemerkte.
»Er liegt im Koma, nicht wahr?«, fragte Darwen die anwesende Krankenschwester. Er hatte davon gehört, dass Menschen über Tage, Wochen, sogar Jahre im Koma liegen konnten, und er wusste auch, dass sie manchmal überhaupt nicht mehr aufwachten.
Die Schwester nickte. »Ich lasse dich einen Augenblick mit ihm allein«, sagte sie, »aber dann musst du ihm seine Ruhe lassen, verstehst du?«
Sie ging nach draußen und hatte kaum die Tür geschlossen, als Darwen die Schublade des Schränkchens neben dem Bett aufzog. Dort lagen Mr. Peregrines Brieftasche, seine Uhr, ein wenig Kleingeld und ein Schlüssel. Darwen nahm ihn an sich.
»Tut mir leid«, sagte er an Mr. Peregrine gewandt. »Ich bringe ihn zurück. Versprochen.«
K A P I T E L 2 2
In den nächsten zwei Tagen wuchs Darwens Anspannung unaufhörlich. Es fiel ihm nichts ein, wie man die Schrubbler aufhalten könnte, und das Wissen, dass ihre Arbeiten – wozu auch immer sie dienen mochten – wahrscheinlich bald abgeschlossen sein würden, trug auch nicht dazu bei, dass er sich besser fühlte. Noch zweimal besuchte er Mr. Peregrine im Krankenhaus, einmal allein, einmal mit Rich und Alexandra, aber der Zustand des alten Mannes verbesserte sich nicht, und Darwen wusste nicht, wie man ihm hätte helfen können. Aber wie sollte er normal weitermachen, wo er doch wusste, was in Silbrica geschah und der einzige Erwachsene, der darüber Bescheid wusste, im Koma lag?
Und trotzdem ging das Leben weiter. Darwen verbrachte einen ganzen Samstag bei Rich und seinem Vater auf der Farm im Nordwesten der Stadt, und die beiden Jungen bastelten an ihrer Blide, obwohl Darwen nicht ganz bei der Sache war. Gelegentlich entflohen sie der Hitze, die draußen herrschte, gingen ins Haus und blätterten durch Richs Comicsammlung. Dessen Lieblingsserie trug den Titel Antimatter Boy – Antimaterie im Einsatz .
»Antimaterie gibt es wirklich«, sagte Rich, der Darwen über die Schulter guckte. »Das haben die nicht nur für die Geschichte hier erfunden. Wenn man normale Materie – eben das, woraus das Universum zum größten Teil besteht – mit Antimaterie mischt, dann zerstört sich beides gegenseitig.
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