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Mr Pink Floyd

Mr Pink Floyd

Titel: Mr Pink Floyd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Mari
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Boden versunken, Gary Brooker konnte ich danach nicht mehr in die Augen sehen … Ein Freund hat mir erzählt, dass unter den Sammlern sechzehn verschiedene Versionen von Interstellar kursieren, von der denkwürdigen,
18 Minuten langen vom September ’67 im UFO bis zu der auf dem Album, die nur neun Minuten lang ist, auch wenn ich von einer gehört hab, die über eine halbe Stunde gehen soll, an die ich mich aber ehrlich gesagt nicht erinnern kann… Meiner Ansicht nach bedeutet diese Vervielfachung den Tod der Form, ein Künstler muss die Persönlichkeit und das Ansehen haben, um sagen zu können: Liebe Leute, dies ist die offizielle Version, der Rest ist fürs Archiv … Tut mir leid, das sagen zu müssen, aber das ist Teil von Syds Hinterlassenschaften, er war es, der unentwegt Änderungen vornahm, egal, ob bei Proben, Konzerten oder Aufnahmen, ein ständiger Wechsel – Akkorde, Text, Länge, Reihenfolge –, nie war irgendetwas von Dauer… Ich bin fast wahnsinnig geworden, aber die anderen machten alles mit, hielten es auch noch für amüsant … Das legte sich allerdings, als sie bei der EMI von Norman Smith unter die Fittiche genommen wurden, Norman der Normierer … Gott im Himmel, welch ein Segen dieser Mann! Er hat uns Struktur gegeben, und bis zuletzt versuchte Syd, ihn zu beirren, aber er wusste wohl nicht, mit wem er es zu tun hatte, ein ausgeflippter Jüngling gegen Hurricane! Ich stand auf Normans Seite, ja, das gebe ich offen zu. Auch weil er gesunden Menschenverstand besaß, zum Beispiel hat er uns ziemlich zu Anfang gesagt: »Jungs, live macht von mir aus, was ihr wollt, tobt euch aus, spielt stundenlange Stücke, spielt schief, probiert alles: Aber im Studio«, und bei ihm klang »im Studio« wie »in der Kirche«, »im Studio müsst ihr wie die Soldaten strammstehen und dem Programm folgen.« Von ihm hatten wir also unser Imprinting, das uns auf ewig anhaften sollte, auf der Bühne was ganz anderes als im Aufnahmestudio zu sein … Das erklärt außerdem, warum Pink Floyd wie keine andere Band die Gewohnheit hatte, auf Tournee bereits Stücke vom bevorstehenden Album zu spielen. Sind wir durch die Gegend gefahren, um DARK SIDE zu promoten? Konzert für Konzert kamen nach und nach die Stücke ans Licht, aus denen sich WISH YOU WERE HERE zusammensetzen würde,
das war immer so, die Tour begann und endete mit Stücken, die es bis dahin noch nicht gab … Anfangs waren sie bei der EMI noch ratlos, sie hatten Angst, die Leute würden die Platten nicht kaufen, wenn sie die Stücke schon kannten, dann merkten sie aber, dass es eine Art Droge war, wir warfen wie Angler den Köder aus, und wenn die neue Platte rauskam, standen sie mit all unseren Stücken im Kopf bereits Schlange, mussten sie unbedingt hören, um nicht wahnsinnig zu werden … Heute, da so ernsthafte Jungs wie Roger oder Dave die Band führen, dient das Vorgreifen bei Livekonzerten dazu, das Stück auf den Punkt zu bringen, beim Aufnehmen kannst du es dann ohne Zögern durchspielen, tatsächlich sind Pink Floyd bekannt für die Kürze ihrer Sessions, schaut ruhig mal in das Schallplattenverzeichnis, ihr werdet sehen, dass fast hinter jedem Titel »First take« steht … Aber Syd? Für Syd hatte das Wort »perfektionieren« keine Bedeutung, wenn er live spielte, spielte er live und nicht zur Vorbereitung auf eine Platte, was Pink Floyd von ihrem Weg abgebracht hätte.
    Warum also bedauern, dass wir nicht Syds Weg gefolgt sind, zumal er ihn letzten Endes nicht einmal selbst ganz gegangen ist?

EINUNDZWANZIGSTES GESTÄNDNIS
    Das Pferd (4)

    Nein: Es gibt Pop, es gibt Rock, und es gibt Pink Floyd . Bis 1983.

ACHTUNDZWANZIGSTE ZEUGENAUSSAGE
    David Gale (2)

    Der letzte Film von Alan Parker heißt The Life of David Gale , komisch, findet ihr nicht? Wer weiß, ob ihm jemand zu Zeiten von The Wall meinen Namen genannt hat, der dann in einer Hirnwindung in seinem Kopf stecken geblieben ist… Komisch, ach Gott … tragisch eigentlich, dann wäre ich ja das nächste Opfer … Aber ich bin nicht noch mal hier, um über mich zu sprechen, sondern über Syd. Als er starb, bin ich vom Observer interviewt worden: Bestimmt mache ich euch eine Freude, wenn ich den wichtigsten Ausschnitt daraus hier wiedergebe: »Vierzig Jahre lang hat uns Syd etwas äußerst Tröstliches vermittelt: das Bild von Rückzug ohne Tod. Er lebt, wenngleich so unbeweglich wie im Tod. Syd stirbt nicht. Das ist das ungeheuer Verlockende daran. Man kann sterben, ohne vollends zu

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