Mr Pink Floyd
Zwillinge (3)
»Hast du sie gehört?«
»Das fragst du noch? Was glaubst du wohl, woher dieser Brechreiz in dir kommt?«
»Bahhh! Der eine war ein mieser Charakter, hätte aber alles für ihn getan, der andere hat ihn ersetzt, fühlte sich aber zeitlebens zu ihm hingezogen …«
»Beide waren seine Freunde, als junge Erwachsene, als Kinder, eine fatale Bindung …«
»Der eine war für Weitermachen, der andere für Haltbarmachen …«
»Und dann war da noch der eine mit der ehrenvollen Aufgabe, sie zusammenzuhalten, der feinfühlige Diplomat …«
»Und diese Liebe der Fans, brav den Anfängen treu geblieben …«
»Und dieser Zwang, die Vergangenheit hochzuhalten …«
»Ein einziger Fluch, und als sie ihre Anthologie für die Nachwelt zusammensetzten, waren sie gezwungen, an Anfang und Ende zwei Stücke von ihm zu stellen …«
»Ja richtig: zwei Stücke aus seinem Fleisch und Blut…«
»Stell dir mal vor, du hättest es so weit gebracht wie die: Würdest du dich nach fünfunddreißig Jahren noch immer um diese beiden Liedchen scheren? Nur hatten sie einfach keine Wahl.«
»Sie haben sich bei der Frage, wer der echte Pink ist, wer ein Recht auf diesen Namen hat, in die Haare bekommen.«
»Aus purer Boshaftigkeit haben sie sich die Haare ausgerissen, sie wussten doch ganz genau, wer das war.«
»Wer sie zusammengehalten hat.«
»Wer sie am Leben gehalten hat.«
»Wer ihnen im Traum die Songs geschickt hat.«
»Aus der Ferne …«
»Ändert das was? Siehst ja, was er aus uns gemacht hat, ohne dass er uns jemals begegnet ist…«
»Weißt du, was mich noch wurmt? Dass sich bei uns überhaupt niemand bedankt hat. Vor langer Zeit wurde unser Kätzchen gefragt, wie viel seiner Meinung nach allein der Name Pink Floyd in Stückzahlen ausgedrückt wert sei: Minimum ein paar Millionen Platten, hat er geantwortet.«
»Hallelujah!«
Mit diesen Worten wand sich das rosa Monster um den Nacken des flüssigen Monsters und schnappte zu. Wie stets in solchen Momenten, riss das flüssige Monster mit seinen Krallen tiefe, fleischige Wunden in den Rücken seines Anverwandten. In einem dicken Schwall strömte hellrotes Blut an dem sich vereinigenden, zitternden Körper herunter, rosafarbenes Blut, das auf den Boden und immer weiter floss und floss.
EINUNDDREISSIGSTE ZEUGENAUSSAGE
Eric Clapton
1984 fragte mich Roger, ob ich an seinem Album THE PROS AND CONS OF HITCH HIKING mitwirken und ihn auf der Tour begleiten wolle. Das habe ich sehr gern getan, denn wenn es jemanden in der Welt der Rockmusik gibt, den ich sehr schätze, dann ist es Roger Waters. Aber davon mal abgesehen, müssen wir uns doch wenigstens zwischen uns Dinosauriern unter die Arme greifen … erst recht nach dieser Plage namens Punk … Ich muss allerdings dazusagen, dass mich die Anspannung, mit der Roger an jede Sache heranging, etwas schockiert hat: Vielleicht weil es für mich zur Devise gehört, beim Musikmachen gelassen zu bleiben, vielleicht weil er gerade eine schwierige Zeit mit Pink Floyd durchmachte, aber wenn ich vorher gewusst hätte, in welches Gewitter aus Obsessionen und Sturköpfigkeit ich geraten würde, glaube ich nicht, dass ich zugesagt hätte. Ein paar Jahre später hatte ich Gelegenheit, mit Dave darüber zu sprechen, der bei der neu gegründeten Band von Pete Townshend unterdessen die gleiche Erfahrung gemacht hatte. Auch Pete ist kein einfacher Mensch. Aber Dave hat mit Sicherheit nicht unter einer solch beklemmenden Atmosphäre gelitten wie ich während der Aufnahmen und der Tour, wo wir uns ständig hinter vorgehaltener Hand unterhalten mussten, damit Roger nichts mitbekam. Er machte den Eindruck, als würde ihn irgendetwas innerlich auffressen, oder als hätte er einen lebenswichtigen Auftrag zu erfüllen … Und als würde er Befehle ausführen, er, der sich als Tyrann über die
gesamte Erdkugel aufspielte, Befehle, die er von ganz oben erhielt.
Beziehungsweise, wenn ich mir ein Wortspiel erlauben darf, von ganz unten.
EINUNDZWANZIGSTE KLAGE
Rachel Fury
Wer in der zweiten Hälfte der Achtziger auf den Konzerten von Pink Floyd war oder mal eine DVD von ihnen gesehen hat, weiß zwar bis heute nicht, wie ich heiße, aber wer ich bin. Backgroundsängerin: die einzige weiße, bevor Claudia Fontaine dazustieß, klein, schwarzhaarig und mit einer Spalte zwischen den oberen Schneidezähnen, wo ich, ehrlich gesagt, den einzigen Makel an mir sehe. Hört man sich um, wird man leicht feststellen, dass sich dank mir
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