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Mr Pink Floyd

Mr Pink Floyd

Titel: Mr Pink Floyd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michele Mari
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man meiner Ansicht nach auch eine antiklassische, antimelodische oder verfremdende Absicht ausschließen kann, falls man
die dahinter vermuten wollte. Was also dann? Haben wir es mit dem abermaligen Ausdruck eines Panikgefühls der Natur zu tun? Horror, nicht dran zu denken! Geht es um die Vorstellung, dass auf musikalischer Ebene alles schicksalhaft ist, geht es also nur darum, sich zu öffnen und zuzuhören? Von diesem süßlichen New-Age-Tenor, der in dieser Erklärung mitschwingt, kriege ich Gänsehaut … Nein, nein, man muss sich Pink Floyd unbedingt als Typen vorstellen, die Klänge in sich ein- und aufsaugen, eine Band aus akustischen Vampiren … Hat nicht Syd am Anfang im Grunde das Gleiche mit den Namen von Pink und Floyd getan? Hier Antworten zu liefern, ist, wie gesagt, nicht meine Aufgabe, allerdings will ich euch zum Nachdenken anregen.

EINUNDVIERZIGSTE ZEUGENAUSSAGE
    Jeff Brigham Jr.

    Guten Tag zusammen, meine Name ist Jeffrey Nicholas Brigham Jr., und wie schon mein Vater lehre ich Geschichte am Peabody College in Oxford. Im Gegensatz zu ihm bin ich jedoch nicht bei Britten stehen geblieben, daher weiß ich, wovon hier die Rede ist.
    Mister Gordon, aufgrund seiner freundschaftlichen Beziehung zu Syd Barrett gewiss besser im Bilde als ich, war jedoch in mindestens einem Punkt recht ungenau. Er hat den Film angesprochen, den Storm Thorgerson 1994 für Shine on you crazy diamond gedreht hat, zur Zeit als Pink Floyd auf der Tour THE DIVISION BELL auch die gesamte Abfolge von DARK SIDE OF THE MOON präsentierten. Heute sind sämtliche Kurzfilme, die zu diesem Anlass entstanden sind, auf der DVD PULSE zu sehen, zum einen als Bestandteile des Auftritts, zum anderen als eigenständige Filme. Als ich mir den Film zu Shine on anschaute, hat mich beinahe der Schlag getroffen: Der »Doppelgänger von Syd«, von dem Gordon spricht (eigentlich gerade mal ein Kind), schreitet gar nicht auf weiter Flur über eine metaphysische Schwelle: Er betritt einen Ort, und zwar nicht irgendeinen, sondern einen, der uns Historikern durchaus ein Begriff ist, wenngleich wir es gemeinhin vermeiden, uns mit ihm zu beschäftigen.
    Kennt ihr das Syon House? Es ist ein umfangreiches und weit verzweigtes Gebäude im Syon Park in Brentford und ist gleichbedeutend mit dem früheren, immens großen Besitztum
des Herzogs von Northumberland westlich von London. Der eindrucksvollste Teil des Syon House ist ein von Charles Fowler erbautes Gewächshaus von enormer Größe aus dem Jahre 1825. Wenn man es sich genauer anschaut, erkennt man, wie sehr es Paxton als Vorbild für seinen Crystal Palace gedient hat. Genau an der Stelle, wo sich das mittlere Kreuzgewölbe des Gewächshauses erhebt, stand einst die Abtei Syon, in die während eines tosenden Gewitters der Leichnam Heinrichs VIII., unterwegs von Westminster nach Windsor, untergestellt worden war. Wie allgemein bekannt, hat dieser schreckliche Herrscher die Mönchsorden abgeschafft und damit jegliche Art von Fluch und unheilvolle Prophezeiung auf sich gezogen. Einer aus franziskanischen Kreisen stammenden Prophezeiung zufolge würden Höllenhunde das Blut des Herrschers ausgerechnet in einer von ihm entweihten Abtei auflecken. Nun gut, am nächsten Morgen trafen die Männer des Trauerzugs auf vier im Schlaf versunkene Wachleute, und als sie den Raum mit der Bahre betraten, sahen sie vor sich das Schauspiel vier großer Hunde, die das aus dem Leichnam tropfende Blut aufleckten; in einer anderen Überlieferung heißt es, die Hunde hätten Teile der königlichen Glieder verschlungen und nicht viel zu beerdigen übrig gelassen…
    Nun frage ich mich: Hat Storm Thorgerson diesen Ort ausgewählt, weil er die Geschichte kannte, oder war es Zufall? Aufgrund ihrer Ausrichtung glauben Historiker nicht an den Zufall, das ist bekannt. Und wie geht der Film dann weiter? Er stellt den Fluch, der auf diesem Ort liegt, explizit dar, denn diesen Ort zu betreten, bedeutet unterzugehen, seine Seele zu verlieren, Schlechtes zu erfahren … Dort geht er also hinein, der kleine Syd, und wird sogleich von einer Horde Blumenkinder umzingelt, deren Blicke jedoch nichts Blumenhaftes ausstrahlen: Sie bringen ihn vom rechten Weg ab, indem sie ihm Joints und Acid anbieten, woraufhin der Kleine mit einem Grubenhelm auf dem Kopf, eine Anspielung auf seine kindliche Neugier,
in einen Teich hüpft: Kurz danach sieht man, wie er von einem ziemlich hohen Sprungbrett in ein Meer aus rosafarbenen Blüten springt: Völlig

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