Mr. Sex
Drinnen hörte ich Jackos näher kommendes Getapse. Er blickte zwischen den Beinen seiner Besitzer hindurch und kam mit einem Satz auf mich zu und an mir hochgesprungen. Ich begrüßte ihn und Jacko freute sich wie immer riesig, mich zu sehen. Als seine Freude nachließ und er wieder alle vier Pfoten auf den Boden stellte, sagte Margot entsetzt:
„Oh, nee, oh Chris, des tut mir abber leid. Guck emol. Jacko hat dir dein Kleid versaut.“
Ich schaute an mir herunter und sah einen braunen Pfotenabdruck direkt auf meiner linken Brust prangen.
„ Mist“, entfuhr es mir. „Mein schönes neues Kleid.“
Albert sagte, dass sie selbstverständlich die Reinigung bezahlen u nd es ihnen furchtbar Leid tun würde. Aber das brachte mir jetzt auch nichts mehr.
Ich wollte schnell nach unten laufen um mir etwas Sauberes anzuziehen, da hörte ich wie unten die Haustür aufging und türkische Stimmen das Treppenhaus erfüllten.
Umziehen ging jetzt auch nicht mehr.
Albert und Margot sahen mich fragend an und ich geriet in Erklärungsnot.
„ Ich warte einfach noch einen Augenblick. Er wird sicherlich gleich öffnen“, sagte ich und deutete mit meinem Kopf auf Wigalds Wohnungstür.
„Er wollte mir etwas ausleihen, was ich dringend brauche.“
Die beiden entschuldigten sich noch ein paar Mal und gingen dann mit Jacko Gassi.
In diesem Augenblick öffnete Wigald die Tür. Ich war ganz zittrig und brachte kaum ein „Hallo“ heraus. Wigald begrüßte mich und wünschte unseren Nachbarn einen schönen Tag. Margot zwinkerte mir zu.
„Komm doch rein“, sagte er und hielt mir die Tür auf. „Ich musste gerade noch den Tisch fertig decken.“
Nachdem er die Tür geschlossen hatte, lächelte er mich an und sagte:
„Schön, dass du da bist.“
Er gab mir links und rechts einen Kuss auf die Wange und hielt dabei sanft meine Schultern in seinen starken Händen. Ich schmolz dahin wie Vanilleeis in der Sonne.
„Ich habe uns einen Kuchen gebacken. Schokoladenkuchen aus der Packung mit viel Schokoguss. Ich hoffe, du magst ihn?“ Fragend schaute er mich an.
„Ich liebe Schokoladenkuchen.“
Er führte mich in die Wohnung und zeigte stolz auf den liebevoll gedeckten Esszimmertisch. Ein Strauß mit gelb-roten Tulpen stand ebenfalls darauf.
„Setz dich doch.“
Er deutete auf den Stuhl mit dem besten Blick in den Raum. „Kaffee?“
„Ja, bitte“, antwortete ich und hielt ihm meine Tasse entgegen. Ich war sprachlos. Er hatte sich richtig viel Mühe gegeben um alles so schön zu machen – extra für mich. Er selbst sah toll aus, roch ebenfalls frisch geduscht, der Kaffeetisch war liebevoll gedeckt und aus dem CD-Player ertönte leise, angenehme Musik.
Einen kurzen Augenblick lang wussten wir nicht, was wir erzählen sollten. Dann fingen wir beide im selben Augenblick an zu reden, lachten und einigten uns darauf, dass ich zuerst erzählen sollte.
Es war ein wundervoller Nachmittag. Wir redeten und redeten, stellten fest, dass wir denselben Humor hatten und sprachen über unsere Hobbies. Wigald ging gerne in die Natur. Ganz besonders liebte er Landschaften, die großzügig und weitläufig sind, mit Flüssen und Wäldern. Er war schon einige Male in Kanada gewesen. Ich erzählte ihm daraufhin von meinen beiden Thailand-Urlauben, die mich heute noch begeisterten.
Als ich ihn nach seiner Familie fragte, versteinerte sich seine Miene und seine Haltung wirkte angespannt. Er erzählte mir, dass seine Mutter nach der Scheidung seiner Eltern gestorben sei.
„Das tut mir leid“, entgegnete ich betroffen. „Warst du noch klein, als das alles geschah?“
„Nein“, antwortete er verbissen, „es passierte vor sechs Jahre. Ich war gerade 28.“
Er schwieg.
„War deine Mutter krank?“ hakte ich nach. Ich wollte das nicht einfach so im Raum stehen lassen und dachte, es ist immer besser über so ein schlimmes Ereignis zu reden, als es tot zu schweigen.
„Nein“, es folgte erneut eine lange Pause, „sie hat sich umgebracht.“
Ich war geschockt und hatte Mitleid mit ihm. Es muss schrecklich sein, wenn so etwas geschieht
„Weißt du“, sprach er mit kehliger Stimme, „sie hat die Trennung nie verwunden und wollte ohne dieses… ohne meinen Vater einfach nicht mehr weiterleben.“
Sein Blick ging ins Leere.
„Du kannst deinen Vater wohl nicht sonderlich gut leiden?“ fragte ich leise.
„Wir haben keinen Kontakt mehr. Und ich bin auch nicht böse darum.“
Er nickte sich selbst bestätigend
Weitere Kostenlose Bücher