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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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er zu sich selbst. Jemand muss die Dinge in Ordnung bringen. Und er schloss die Augen.
    Irgendwo in der Ferne stöhnte eine Zugpfeife wie ein vom Fiebertraum geschüttelter Mann. Keiner der anderen rührte sich. Connelly wälzte sich auf die Seite und versuchte zu schlafen.
    Sie verbrachten die nächsten drei Tage damit, auf einen Zug zu warten, der sie nach Oklahoma und in die Nähe von Shireden bringen sollte. Roosevelt unterhielt sich mit einem Arbeiter auf dem Güterbahnhof und brachte den Fahrplan in Erfahrung. Pike riet ihnen, sich, solange es noch ging, auszuruhen, also fingen sie Kleinwild und bemühten sich, weder zu trinken noch anderweitig Geld auszugeben. Jeden Tag sahen sie zu, wie das Lager außerhalb von Rennah gezeitengleich ab- und zunahm, wie es durch Menschen anschwoll, die ihr Zuhause verlassen hatten, und sie mischten sich unter die Neuankömmlinge und befragten sie nach dem Mann mit den vielen Narben. Zwei Leute erzählten das Gleiche – nach Süden und dann nach Westen. Falls Shireden noch steht, würde er dort sein, sagten sie.
    »Was meinen sie damit, falls es noch steht?«, fragte Connelly.
    »Keine Ahnung«, erwiderte Roosevelt.
    Und mit jedem Tag nahm die dunkelrote Färbung des Landes im Westen zu, als wäre der Horizont ein Schnitt im Himmel, der ausblutete.
    »Ich habe keine Ahnung, was da kommt«, sagte Pike, als sie das Abendrot betrachteten. »Aber es ist nicht gut.«
    Am dritten Tag kehrte Roosevelt mit einem Lächeln und einer kleinen schweren Tasche in der Hand vom Lager zurück. Er setzte sich, holte daraus einen Revolver und eine Schachtel Patronen hervor und fing an, mit der Waffe herumzuspielen.
    »Was, zum Teufel, ist das denn?«, wollte Hammond wissen.
    »Ein Revolver.«
    »Was, zum Teufel, wollen Sie mit einem Revolver?«
    »Auf Dinge schießen.«
    »Und was verstehen Sie vom Schießen?«
    »Ich weiß, wo die Kugeln herauskommen.«
    »Ach. Und wollen Sie auf etwas Bestimmtes schießen?«
    »Auf alles, was nötig ist, schätze ich«, sagte er, ließ den Zylinder rotieren und einschnappen.
    »Verdammt, Rosie, passen Sie bloß mit dem Ding auf, ja?«
    »Ich versuche es«, sagte er und verstaute die Waffe in seiner Tasche.
    Schließlich kam ihr Tag. Sie gingen hinunter zu den Schienen und duckten sich in einen feuchten Graben am Waldrand. Warteten auf den Zug. Als er vorbeirumpelte, rannten sie los und griffen nach dem hinteren Geländer. Dann zogen sie sich hinauf und versteckten sich in einem mit Holz beladenen Waggon. Dort hockten bereits zwei alte Männer, die beide derbe Kleidung aus Denim und Rohleder trugen. Sie musterten die Neuankömmlinge mit mäßigem Interesse.
    »Wo soll’s denn hingehen?«, fragte einer, als sich Connelly und die anderen einen Platz suchten.
    »Nach Süden«, sagte Hammond.
    »Nach Shireden?«
    »Ja«, erwiderte Hammond überrascht.
    Die beiden Männer sahen einander an und nickten. »Wollt ihr die Zigeunerin besuchen?«
    »Die was?«
    »Das Zigeunermädchen.«
    »Nein. Wer soll das sein?«
    »Dort gibt es eine junge Zigeunerin, auf diesem Rummelplatz. Sie ist berühmt. Sie kann einem die Zukunft vorhersagen. Darum wollen wir dorthin. Ich kannte einen Burschen, der hat mit ihr gesprochen, und sie sagte ihm genau voraus, wo er sein würde, wenn ihm das Glück zulächelt, und eine Woche später hat sich alles bewahrheitet: In einem Spielsalon gewann er fast hundert Dollar.«
    »Und ihr wollt euch die Zukunft voraussagen lassen?«, fragte Pike.
    »Aber sicher.«
    »Junge, Junge, ich würde auch gern hören, was sie zu sagen hat«, sagte Roosevelt. »Es wäre schön zu wissen, wann ich das nächste Mal unverhofft zu Geld komme.«
    »Sie glauben doch nicht ernsthaft an solche Sachen, oder?«, fragte Hammond.
    »Natürlich. Warum denn nicht?«
    »Weil es ein Haufen Unfug ist. Die nehmen doch nur ein paar Bauerntölpel aus. Damit meine ich natürlich nicht unsere gegenwärtige Gesellschaft.« Hammond lächelte die beiden anderen Hobos an, die ihm finstere Blicke zuwarfen. »Pike, kommen Sie schon«, fuhr er fort. »Unterstützen Sie mich.«
    Pike nickte nachdenklich. »Ich neige dazu, solchen Dingen nicht zu vertrauen. Ich weiß nicht viel über Teufelswerk«, meinte er langsam, »aber wenn es uns dabei hilft, unser Ziel zu erreichen, dann geht das sicher in Ordnung.«
    »Was? Sie wollen doch nicht ernsthaft diese verdammte Zigeunerin aufsuchen, oder?«, fragte Hammond.
    »Doch. Und Sie sollten ernsthaft auf Ihre Ausdrucksweise achten,

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